BSG-Urteile vom 24.04.2018 als Stärkung der Patientenrechte?

Vorab: Ich vertrete nicht die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts, ich versuche sie hier in diesem Blog lediglich verständlich darzustellen.

Potential ist nicht gleich Potential

Das Bundessozialgericht hat mit zwei Urteilen vom 24.04.2018 über die Vereinbarkeit der stationären Liposuktion bei Lipödem mit dem Qualitätsgebot nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V), welches für die gesetzlichen Krankenkassen zur Leistungsgewährung maßgeblich ist, entschieden. Nach diesen Entscheidungen ist auch der Hoffnungsträger der stationären Liposuktion bei Lipödem zunichte gemacht; bisher bot die Norm des § 137 c Abs. 3 SGB V einen sehr guten Ansatzpunkt zur Geltendmachung und Beantragung der operativen Therapie bei Lipödem. Nach dieser Vorschrift ist eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses für solche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wie die Liposuktion bei Lipödem sie darstellt, dann nicht erforderlich, wenn die betreffende Behandlung medizinisch indiziert ist und das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.

Auch der Gemeinsame Bundesausschuss hatte in seiner Verlautbarung zur Aussetzung der Methodenbewertung vom 20.07.2018 vom „Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative gesprochen“.

Qualitätsgebot und Wirtschaftlichkeitsgrundsatz der GKV

Zwar muss berücksichtigt werden, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung nur solche Methoden finanziert werden sollen, die hinreichend erforscht sind (Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV). Jedoch besteht im Falle der Liposuktion bei Lipödem ein großer Abstand zwischen den allseits und bundesweit tagtäglich praktizierten Therapieansätzen der verschiedenen Operateure, sei es privat oder aber in einem zugelassenen Krankenhaus, und dem aktuellen Stand des Leistungskataloges.

Insofern mögen die BSG-Urteile zwar juristisch und sachlogisch durchaus nachvollziehbar sein, im tatsächlichen Sinne und aus Patientensicht dürfte dies jedoch nicht einleuchtend sein.

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Und ein Platz in der Studie?

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass lt. einem der genannten BSG-Urteile sich aus dem Anspruch auf Teilnahme an der GBA-Studie ein Anspruch auf eine Sachleistung in Form der Liposuktion bei Lipödem ergeben kann. In einem im April häufig auf FB geposteten Beitrag wurde das geschildert. Denn: Hier ergibt sich lediglich ein Anspruch auf Ausübung eines fehlerfreien Ermessens durch die Krankenkasse. Nicht aber auf einen Platz in der Studie selbst. Auch ist die Anzahl der Plätze sehr begrenzt und deckt nur einen minimalen Teil des Patientinnenkreises ab.

BSG-Urteile – Bedeutung für uns Patientinnen

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass damit ein Rechtsanspruch auf die Liposuktion bei Lipödem in einem sog. „Vertragskrankenhaus“ gerichtlich kaum mehr durchsetzbar ist. Es bleibt nur noch die Möglichkeit der Genehmigungsfiktion sowie einer geringfügigen Anzahl von Einzelfallentscheidungen, deren Logik weder nachvollziehbar noch transparent ist.

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Was bleibt?

Die Urteile des BSG lassen wohl alle Lipödempatientinnen ratlos und erschüttert zurück; die menschliche Komponente ist von erheblicher Tragweite.

Ich stand in den Tagen nach diesen beiden Urteilen mit sehr vielen meiner Mandantinnen und auch anderen Patientinnen in intensivem Kontakt. Es gab viele auch besorgniserregende Reaktionen, die auch für eine Anwältin nicht immer einfach sind.

Jedoch wäre es hier falsch, den Kopf in den Sand zu stecken oder aber sich zu sagen:

Das alles hat doch ohnehin keinen Zweck.

Ich werde Euch in den nächsten Beiträgen weitere Möglichkeiten darstellen, um formale Ansatzpunkte zu finden. Oder aber auch einmal an Möglichkeiten, sich generell mehr in den gesundheitspolitischen Prozess einzubringen.

In diesem Sinne, mehr dazu und zu vielen weiteren Themen, auf diesem Blog,

liebe Grüße,

Eure Ruth Leitenmaier


Mehr Artikel zur Rechtslage von Lipödem Patientinnen findet ihr hier.

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Author: Ruth Leitenmaier

Meine Schwerpunkte sind Sozial- und Medizinrecht, Steuerrecht, Erbrecht und Seniorenrecht. Ich bin selbst Lipödempatientin, im Jahr 2016 operiert und dankbar, einem nicht so guten Schicksal entronnen zu sein. Außer meiner Familie sind Kunst und Literatur meine steten Begleiter. Ich bin gerne in der freien Natur und habe meinen Ausgleich auch im Sport.

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