Für immer die Dicke – Der Kopf nimmt nicht ab

Wer einmal mehr auf den Hüften hatte, als ihm lieb ist und damit ein paar Jahre seines Lebens gefristet hat, kennt wahrscheinlich diese verqueren Gedanken …

Jeder, der in den Raum kommt, sieht wahrscheinlich als erstes mich – die Dicke.

Partynacht mit den Mädels. Alle top gestyled, rank und schlank – nur ich bin die Dicke in Chucks.

Sport in der Schule? Ich wurde immer zuletzt gewählt.

Shoppen gehen? Na toll, ich finde ja doch nichts, wenn wir nur in die Läden bis Größe 42 gehen.

Achterbahn fahren. Ich muss in den XXL-Sitz? Na, dankeschön. (So passiert! Silverstar, Europapark)

Endlich an den See fahren. Aber da werden mich alle halbnackt sehen – oh Gott!

Ich könnte seitenweise formulieren, welche Sorgen ich mir als Übergewichtige machte, wenn ich vor vermeidlich ganz alltäglichen Situationen stand. Dabei redete ich mir ein, dass, wenn ich abnehme, ich diese Sorgen fallen lassen kann. Endlich entspannt sein, das Leben genießen!

Die Dicke hat falsch gedacht

Und nun laufe ich mit über 30 kg weniger durch die Felder. Ich habe so viel erreicht, zehntausende von Kalorien verbrannt, abgelehnt und verkniffen, Stunden um Stunden mit hoch rotem Kopf den Schweiß nur so laufen gespürt. 7000 kcal pro verlorenem Kilogramm Fett. Jahrelang alles getan, mich durchhängen lassen, wieder aufgestanden, weitergemacht. Um heute hier zu sitzen und zu merken, dass ich immer noch dick bin. Und ich rede nicht von den knapp 13 kg, die mich noch vom Normalgewicht trennen, sondern von meinem Kopf. Da ist nämlich auch in sechs Jahren Abnahmegeschichte noch nichts passiert.

Hat mein Körpergefühl einen Reset-Button?

Jede Zelle in unserem Körper ist nach sieben Jahren komplett erneuert, aber die Zellerneuerung macht einen gewaltigen Bogen um mein Gehirn. Wieso kann ich nicht von diesem mittlerweile verzerrtem Selbstbild ablassen und mein neues Ich jeden Tag auf’s Neue feiern, in die Arme schließen und mich für die Disziplin loben, die das möglich gemacht hat. Warum ist die Dicke geblieben? Mit dem schwindenden Gewicht sollte sich doch eigentlich alles leichter anfühlen.

Ich will Frieden

Und manchmal ertappe ich mich mit diesen Gedanken und schüttel entsetzt meinen Kopf. Das kann nicht das Gefühl sein, für das ich so lang so hart gekämpft habe. Dem Lipödem zu frönen und von dem großen Traum vom Normalgewicht nicht abzukommen, war das eine. Ich will Frieden. Frieden mit meinem Körper, mit meinem Aussehen. Schluss mit diesem sinnlosen Kampf, der nur Energie zieht. Das Leben ist zu kurz, um im Krieg mit sich selbst zu sein. Ich bin nicht mehr die Dicke, sondern die Starke, die Dranbleiberin. Ich habe es fast geschafft – mein Ziel ist in Sichtweite.

Und zu dieser Erkenntnis gekommen zu sein, hat mich Jahre gekostet. Ich habe gelernt, meinen Mitmenschen zuzuhören und ihnen Glauben zu schenken, dass ich mich verändert habe. Und vor allem, dass ich nie die Dicke war, sondern immer ich.

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Author: Caroline Sprott

Ich bin Caroline, 1989 geboren und wohne in Augsburg. Warum habe ich den Lipödem Mode-Blog ins Leben gerufen? Am Anfang meiner Diagnose stand ich völlig hilflos vor einer ungewissen Zukunft. Jetzt, einige Jahre später, habe ich durch die aktive Anteilnahme in Selbsthilfegruppen und viel Recherche einen Erfahrungsschatz ansammelt, den ich gerne an einem Ort gebündelt anderen Betroffenen zugänglich machen möchte – ohne den Umweg über private Gruppen bei Facebook. Die modische Komponente ist natürlich meinem Hobby geschuldet. Ich versprach mir damals selbst, mich niemals von der Kompressionsbestrumpfung einschränken zu lassen. Diese Einstellung macht anderen Patientinnen Mut und so riet mir Michaela dazu, einen Blog ins Leben zu rufen.

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  • Hi Süße, erst einmal ich weiß wie du Dich fühlst, auch wenn Du das nicht glaubst ich habe das durch. Ich hatte mich bis auf 45 Kilo ab gehungert und glaubte immer noch ich bin zu Dick aber was ich gelernt habe in den Jahren ist das ich mich nicht mehr an andere Menschen Orientiere oder was die sagen ich bin ich und ich mag mich so wie ich bin und wem das nicht gefällt der hat in meinem leben nichts zu suchen. Nicht das Gewicht, Aussehen welche Klamotten wir tragen oder ob wir Blond, Braun, Rothaarig sind auch ist es egal welche Hautfarbe wir haben, es sind andere Dinge die einen Menschen ausmachen und da ich Dich kennenlernen durfte in unserer drei Jährigen Ausbildung möchte ich dir auf diesem Wege sagen: Ich hoffe Du bist noch genauso Lebensfroh wie Du warst und das Du mit Deiner guten Laune die Menschen mit nimmst und Dein Lachen nicht verlierst. Bleib so wie Du bist. Ich drück Dich ganz liebe Grüße Donna

    • Liebe Donna,

      ich danke dir von Herzen für deine Worte und du hast so recht, mit dem, was du sagst. Gewicht definiert uns nicht, aber die Erwartungen, mit denen man an so eine Odyssee heran geht, kann ja nur auf ein hohes Risiko an Enttäuschung stoßen. 🙁 Ich mache weiter, bis ich mein gesundes Gewicht endlich erreicht habe und hoffe, dass mit der Zeit und viel Geduld irgendwann ich mich auch an dieses neue Ich gewöhnen werde.

      Ich drück dich ganz lieb zurück!

  • Hallo☺
    Es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass man mit solchen „unsinnigen“ Empfindungen nicht allein ist.
    Ich habe bei weitem nicht so viel abgenommen wie du, aber selbst heute, steh ich oft vor dem Spiegel und halte mich für zu dick.
    Wenn ich dann Fotos von mir sehe, bin ich immer wieder überrascht, dass meine Beine so schmal wirken. Das zeigt mir der Spiegel nämlich leider nicht
    Aber was heißt schon zu dick? Generell finde ich Übergewicht nur „schwierig“, weil es leider irgendwann auf die Gesundheit geht und das muss nicht sein. Sonst soll doch Jeder so leben und aussehen dürfen wie er mag. Nur an der Einstellung des Spiegels müssen wir noch arbeiten

  • Du sprichst mir so sehr aus dem Herzen! Habe jetzt 10 kg abgenommen und bin fast bei meinem Normalgewicht (ich hab zum Glück nicht ganz so viel auf den Rippen gehabt und dann schnell die Kurve gekriegt). Trotzdem fühlt man sich nicht normal. Ich denke noch, dass alle mich anstarren, weil ich dicke Beine hab, die in Strümpfen stecken. Es tut mir aber gut, dass andere diese Gedanken kennen – weil mir gerne gesagt wird, dass ich „spinne“ und mir was „einrede“. Aber Gefühl bleibt nun mal Gefühl.