Buchrezension: Fettlogik überwinden von Dr. Nadja Hermann

Fettlogik überwinden. Den inneren Schweinehund zu bekämpfen und die Disziplin aufzubringen, sich seinem Übergewicht zu stellen, bedarf nicht nur Motivation, sondern auch ein fundiertes Wissen darüber, was für den Prozess des Abnehmens essenziell wichtig ist. Gut gemeinte Ratschläge, hartnäckige Mythen und der Eiertanz mit dem sensiblen Thema sind selten böswillig, scheuchen uns aber trotzdem von Pontius zu Pilatus, von einer Ernährungsform zur nächsten. Man probiert aus, scheitert, probiert was Neues, scheitert, schnappt etwas Neues auf und versteht mit jedem gescheiterten Weg die Welt nicht mehr, warum andere Gewicht verlieren und man selbst nicht.

Geblendet von der Industrie

Die Autorin besticht in ihrem Buch Fettlogik überwinden mit unangenehm entlarvenden Veranschaulichungen mittels kurzen Comics, Vergleichen und eigenen Erlebnissen und lässt so einige Seifenblasen platzen. Bevor ich das Buch angefangen habe zu lesen, hätte ich felsenfest schwören können, dass ich nach meinem Gewichtsverlust von 35 Kilo doch bestens informiert sein müsste – aber weit gefehlt. Die studienbelegten Erkenntnisse und Widerlegungen von sämtlichen Irrglauben, von denen man es nie geahnt hätte, sie könnten Fettlogik sein, führen dem Leser vor, wie unheimlich breit falsches Wissen gestreut ist. Dadurch, dass die Diätindustrie mit dem wachsenden Anteil an Übergewichtigen weltweit eine wahre Goldgrube betreibt, geht oft der eigentliche Ursprung des Abnehmens und das Gefühl für Normalgewicht unter. Und mit Fettlogik überwinden schafft man es vielleicht, sich dorthin zurück zu orientieren.

Übergewicht kann man nicht schönreden

Dabei geht Dr. Nadja Hermann auf einen Aspekt unserer heutigen Gesellschaft ein, der auch in meinen Augen nicht die ernste Aufmerksamkeit und vehemente Aufklärung erhält, die er verdient. Übergewicht ist lebensbedrohlich. Und hier geht es nicht um ästhetische Empfindung oder Sympathie, sondern um das Risiko, welches Übergewicht mit sich bringt. Hermann vergleicht in ihrem Buch Übergewicht mit Rauchen und das hat mir die Augen geöffnet. Denn selbst wenn eure Blutwerte jetzt vielleicht noch gut sind …

„Mit Übergewicht verhält es sich ähnlich wie mit dem Rauchen: Nach der ersten Zigarette wuchern nicht gleich gleich die Tumore. […] Aber nur weil der Schaden nicht sofort sichtbar wird, heißt das nicht, es gäbe keinen.“

Die Langzeitschäden sind auch das, wovor man Raucher warnt und weshalb die plakativen Bilder auf den Packungen nochmals warnend darauf hinweisen, welches Risiko mit dem Tabakkonsum einhergeht. Bei Übergewichtigen steht immer wieder eigentlich nur die Ästhetik im Raum. Dass das Risiko für Diabetes, Herzerkrankungen, Gelenkverschleiß und noch viel mehr um ein vielfaches erhört ist, sollte doch viel mehr im Vordergrund stehen. Anders als beim Rauchen vielleicht Kurzatmigkeit und Lungengeräusche fühlbare Konsequenzen sind, sieht man doch wenigstens, wenn man deutlich zu viel Fettzellen durchs Leben trägt. Und je mehr es werden, desto lauter das Warnsignal.

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Retten, was zu retten ist

Wir wissen alle, dass man Lipödem Fettzellen nicht abnehmen kann, das ist Fakt. Vielmehr sollten wir es uns zur Aufgabe machen, den Rest der noch gesunden Fettdepots zu minimieren und dadurch weniger Zellen potenziell mutieren können. Es geht in dieser Sache nicht nur um das Wohlfühlen oder endlich in „normale Größen“ zu passen, sondern um Schadensbegrenzung. Präventivmaßnahmen, wie es die Liposuktionen mit dem bereits erkrankten Fett handhaben. Eine nicht unerhebliche Menge unserer Zellen sind krank, aber nicht alle. Und die gilt es zu bekämpfen.

Jedes Gramm weiger zählt. Die Betroffenen aus unserem Netzwerk, die von ihrer Abnahme berichten, erzählen auch oft von einer Eindämmung der Schmerzen. Allein diese Aussicht, dass diese Möglichkeit überhaupt besteht, ist ein weiterer guter Grund es anzugehen. Und vielleicht kann euch Fettlogik überwinden dabei helfen.

Fettlogik – Aha-Momente zwischen Beleidigung und Erleuchtung

Doch seid gewarnt, denn dieses Buch ist nicht auf Kuschelkurs. Als alteingesessene Abnehmkandidatin dachte ich, mich schockt nichts mehr. Ich habe ja abgenommen, wie könnte ich da noch Fettlogik Potenzial haben? Weit gefehlt, Frau Sprott, weit gefehlt. Ich wurde von Hermann vor den Kopf gestoßen und das nicht zu knapp. Ich las manche Widerlegung einer Fettlogik und fühlte mich auf einmal beleidigt, obwohl es dafür keinen guten Grund gibt. Sie kann ihre Aussagen mit wissenschaftlichen Studien untermauern, ich hab einfach an einen weiteren Mythos geglaubt.

Wieder andere Passagen schienten wie eine Erleuchtung – endlich verstehe ich einen Vorgang, endlich macht das alles Sinn! Und es lohnt sich für beide Emotionen, dieses Buch immer und immer wieder zu lesen. Wie ein Mantra, bis der Groschen endlich fällt.

Fazit

Fettlogik überwinden von Dr. Nadja Hermann ist nicht nur ein Buch. Es ist eine Revolution, die keine neue Theorie aufstellt und eine freie Wahl lässt, wie man den eigenen Abnehmweg gestalten möchte. Hermann widerlegt lediglich hartnäckige Diät-Mythen, erklärt Phänomene, die während ihres Prozesses aufgekommen sind und zeigt anhand anschaulicher Comic-Metaphern, welchem Fehldenken wir manchmal auf den Leim gehen. Und das finde ich genau richtig. Denn nicht jeder Mensch passt in das Schema X, nicht jeder könnte nur Low Carb zu sich nehmen, vegan leben oder wie auch immer. Auch für Lipödem Betroffene ist die wirklich wissenschaftlich richtigste Ernährungsart und ob es überhaupt eine gibt, nicht erwiesen. Also bleibt uns nichts anderes, als in unserem Kopf aufzuräumen, die Fettlogik zu besiegen und neu durchzustarten.

Hierfür möchte ich euch nicht nur das Buch empfehlen, sondern auch den dazugehörigen Blog. Dort findet ihr Rezepte, Kurven, Bilder der Autorin und anderen Lesern. Lasst euch inspirieren, klärt euch auf und nehmt daraus mit, was ihr mitnehmen könnt. Es wird nicht umsonst gewesen sein.

Viel Erfolg
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Author: Caroline Sprott

Ich bin Caroline, 1989 geboren und wohne in Augsburg. Warum habe ich den Lipödem Mode-Blog ins Leben gerufen? Am Anfang meiner Diagnose stand ich völlig hilflos vor einer ungewissen Zukunft. Jetzt, einige Jahre später, habe ich durch die aktive Anteilnahme in Selbsthilfegruppen und viel Recherche einen Erfahrungsschatz ansammelt, den ich gerne an einem Ort gebündelt anderen Betroffenen zugänglich machen möchte – ohne den Umweg über private Gruppen bei Facebook. Die modische Komponente ist natürlich meinem Hobby geschuldet. Ich versprach mir damals selbst, mich niemals von der Kompressionsbestrumpfung einschränken zu lassen. Diese Einstellung macht anderen Patientinnen Mut und so riet mir Michaela dazu, einen Blog ins Leben zu rufen.

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