Lipödem, du machst mir Angst – Das Leben nach der Liposuktion

Dieser Artikel scheint womöglich ungewöhnlich für meine Person, denn eigentlich bin ich immer bemüht, meinen Kopf oben zu halten und das Beste aus meiner Situation zu machen. Aber Schmerzen lehren einem Respekt und haben im akuten Moment eine Macht, die man kaum begreifen kann. Und dann ist sie da, diese düstere Wolke, die den mühsam gehegten Hoffnungsschimmer versucht zu ersticken. Dies ist mein Leben nach der Liposuktion.

Ich habe Lipödem, das Lipödem hat nicht mich. Nicht mich. Gott, wann hört dieser Kraftaufwand nur auf …

Da ist es wieder. Mein Mantra, dass mich die Jahre seit meiner Diagnosen hat aufrecht gehen lassen und es auch dieses mal krampfhaft versucht. Aber ich fühle Erschöpfung sich breit machen. Bitte nicht schon wieder, nicht schon wieder diese Schmerzen.

Hallo Schmerz, alter Weggefährte.

Sie kommen. Mit leisen Schritten und seit einem Jahr stetig herangepirscht. Schmerzen, wie ich sie nur zu gut kenne. Viele Monate nach meiner OP hatte ich Ruhe, konnte sogar ohne Kompression leben und genoss die Auszeit vom Lipödem. Mein Leben drehte sich mal wieder um etwas anderes als diese Krankheit, die mir schon in jungen Jahren das Leben zur Hölle machen wollte.

Doch irgendwann merkte ich ein Zwicken, ein Vorbote, dass ich doch nicht erlöst sein könnte.

– Klopf, klopf.
– Wer ist da?
– Lippie …
– Lippie-wer?
– Lippie-fuckin‘-Ödem. Hast du mich vermisst?

Ich kenne meinen Körper und habe gar nicht lange mit der neuen Versorgung gewartet. Es galt dieses Ergebnis nach der OP zu konservieren, mit allen Mitteln. Aber wie ihr mit diesem Artikel es sicherlich ahnt, mein Kampf ist noch nicht gewonnen.

Déjà-vu: Ich dachte, nach der Liposuktion wäre Ruh‘

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wünschte ich mir, dass ich bitte nicht in den Zustand vor den OPs zurück gelange. Ich konnte kein Auto mehr fahren, denn nach einer 3/4 Stunde musste die Fahrt meistens abgebrochen werden. Das gleiche galt für den Zug und den Berührungsschmerz, der mich im Alltag auf Schritt und tritt verfolgte. Ich war 26 und sah dem raschen Verfall meiner Lebensqualität zu. Innerhalb von fünf Jahren sollten die Schmerzen in Beinen und Armen sich so dramatisch entwickeln, dass ich mich nicht mehr wiedererkannte.

Liebe gute Fee, die Sackgasse kenne ich schon. Bitte bring mich woanders hin.

Seit einem halben Jahr nehmen die Schmerzen wieder zu und diese Geschwindigkeit erkenne ich wieder. Und sie fühlt sich bedrohlich an – Lipödem, du machst mir Angst. Ich habe 12 Liter von dir aus meinem Körper saugen lassen. Habe versucht, dich so gut es geht nicht weiter zu füttern. Deine Schmerzen so viele Stunden weg zu therapieren versucht. Und doch sitzen wir wieder hier, zusammen im Zug, gemeinsam im Auto, vereint auf dem Konzert, vertraut nach einem anstrengenden Tag.

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Lipödem, du bist ein ungebetener Gast

Auf Regen folgt Sonnenschein. Da ist sie wieder, mein Hoffnungsschimmer. Der Funke, der mich trotzig die Zähne fletschen lässt. Wir Frauen sind Löwinnen. Wie sehen es gar nicht ein, von einem unterirdischen Dämon eingekesselt zu werden und wir werden uns ihm nicht kampflos ergeben. Nicht mit uns, nicht mit mir.

Das ist mein Leben und habe nur dieses Eine. Du bekommst keine Gewalt über mich. Mit oder ohne Liposuktion.

Lipödem, du bist ein Arschloch und Arschlöcher haben keine Zukunft. Wollen wir sehen, wer den längeren Atem hat.

Kopf hoch, ihr Löwinnen.


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Author: Caroline Sprott

Ich bin Caroline, 1989 geboren und wohne in Augsburg. Warum habe ich den Lipödem Mode-Blog ins Leben gerufen? Am Anfang meiner Diagnose stand ich völlig hilflos vor einer ungewissen Zukunft. Jetzt, einige Jahre später, habe ich durch die aktive Anteilnahme in Selbsthilfegruppen und viel Recherche einen Erfahrungsschatz ansammelt, den ich gerne an einem Ort gebündelt anderen Betroffenen zugänglich machen möchte – ohne den Umweg über private Gruppen bei Facebook. Die modische Komponente ist natürlich meinem Hobby geschuldet. Ich versprach mir damals selbst, mich niemals von der Kompressionsbestrumpfung einschränken zu lassen. Diese Einstellung macht anderen Patientinnen Mut und so riet mir Michaela dazu, einen Blog ins Leben zu rufen.

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  • :-(( ich erkenne mich so sehr wieder in diesen Beitrag <3 Danke Caroline das du so bist wie du bist. Es macht Spass deinen Blog zu lesen und ich empfinde ihn als Bereicherung.
    Danke
    knuddel dich mal

  • Oh nein – das tut mir so leid. ich lebe seit 30 Jahren mit den Schmerzen, die immer schlimmer wurden. Seit erst 1 Jahr habe ich die Diagnose. Und seit ca. 4 Jahren habe ich eine extreme Zunahme der Schmerzen und der Erschöfung. Ich bin sehr verzweifelt. Deine Geschichte zeigt leider auch, dass es nichts gibt, was diese Schmerzen dauerhaft nehmen kann. Ich wünsche Dir, dass es keine weitere Verschlimmerung gibt!

    Aufgrund meiner Schmerzen und der Erschöpfung und zwei weiterer chronischer Erkrankungen habe ich derzeit einen Widerspruch zur Feststellung eines GdB laufen. Das Lipödem wird leider auch vom Gutachter ignoriert, bzw. nicht ernst genommen. Dabei bringt ja die Kompression (Arme und Beine) schon eine gewisse Einschränkung im Leben. Darf ich fragen, ob Du einen GdB hast und wie hoch er ist?

    Liebe Grüße, Michaela

      • Liebe Caroline,

        Tut mir leid das zu lesen. Ich kann die Gedanken 1:1 nachvollziehen. Ich habe keine OP gehabt aber die Einschränkungen in der Lebensqualität und die Schmerzen machen es nicht immer einfach stark und positiv zu bleiben. Danke das du so transparent und offen bist. Darf ich so indiskret Fragen ob der GdB von 40% „nur“ für das Lipödem vergeben wurde ? Ich habe bald einen Termin bei meinem Betriebsarzt da ich zunehmend einschränkt bin und hoffe auf einen GdB und auch in der Zuzahlung entlastet zu werden. Ich hoffe sehr das die Schmerzen nicht schlimmer werden für dich!

        • Hallo Simone,

          Nein, ich habe zusätzliche Einschränkungen abseits vom Lipödem, die mit hineingespielt haben. Aber je nach Schweregrad kann Lipödem ja auch zur Gehunfähigkeit beitragen und damit einen höheren Prozentsatz erzielen.

          Liebe Grüße
          Caroline

  • Liebe Caroline,

    ich fühle grade so sehr mit dir! Du bist mir seit langem ein Vorbild und ich verfolge euren Blog immer mit Spannung.
    Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen und wir kämpfen weiter dagegen!

    Schicke dir ganz liebe Grüße aus Franken
    Sandra

  • Liebe Caroline, kämpfe mutig weiter! Eine Frage an dieser Stelle, hast du – oder jemand anders hier – schon mal von der quadrivas-Therapie gehört? Eine Niederländerin hat diese entwickelt, wohl ausgehend von irgendeiner asiatischen Massagetechnik, und sie behauptet, mit regelmäßigen Anwendungen über ein Jahr hinweg Lipödeme Stadium 1 + 2 heilen(!) zu können, und Stadium 3 bis zu 80% reduzieren zu können. Ich füge mal einen Link ein, aber falls der problematisch ist, lösch ihn einfach wieder raus:
    http://www.quadrivas.nl/en/lipoedeem-4/
    Mich würde interessieren, was dahinter steckt – es klingt zu schön, um wahr zu sein …
    Bleib tapfer!

  • Wie würdest du deinen Schmerz beschreiben? Wie Messestich , ziehend, pochend??Manchmal weiß ich nicht ob Schmerz von Krampfader oder Lipödem kommt.

  • Carolin dein Bericht berührt mich sehr.Ich kann es nachvollziehen .Bei mir ist der Verlauf nicht so arg .Ich bin 51 Jahre alt und mein Lipödem wurde vor 5 Jahren diagnostiziert und seitdem behandelt .Vor 8 Monaten hatte ich meine erste Reha in Berleburg Die war erfolgreich .Nun habe ich einen eigenes Lymphomaten zur Entschlackung der Beine .Den nutze ich jeden Tag 1 h und 2x wöchentlich 60min Lymphdrainage. Ich hoffe dass bald die Lipposuktionen von den KK übernommen werden . DANKE für deinen Blog .Alles Gute,du bist eine tolle und starke Frau.❤

  • Hallo, toll geschrieben von Dir.
    Ich weiß das hilft zwar jetzt auch nicht mehr wirklich weiter…
    ein Facharzt hat zu mir mal gesagt, dass die Liposuktion erst ab einem Alter von 28 Jahren gemacht werden sollte und zudem die Kinderplanung abgeschlossen sein… wahrscheinlich alles der Hormone wegen. Die Garantie, dass es wieder zurück kommt kann natürlich keiner geben. Genau deswegen bin ich immer am Überlegen ob man sich die OPs wirklich antun soll… andererseits will man so ja aber auch auf Dauer nicht weitermachen.

    • Dankeschön Simone!

      Ich bin froh, sie gemacht zu haben, aber es gibt Tage, an denen es schwer ist, den Kopf oben zu halten. Es ist alles besser als vor den OPs, aber die Bedrohung weicht nicht, solange es keine Heilung gibt. Man bleibt eben immer auf Achtung.

      Liebe Grüße
      Caroline

  • Vielen vielen Dank für diesen ehrlichen Beitrag!
    Überall liest man nur wie toll alles nach der OP ist und wie gut es einem danach geht. Aber ist halt nicht heilbar, auch wenn es Ärzte gibt, die dies behaupten. Bei mir ist es jetzt so weit fortgeschritten, dass ich die OPs brauchen werde, aber es ist mir bewußt, dass es mir nur die Schmerzen vorerst nehmen wird und mich beweglicher macht. Mehr nicht und für wie lange, ist dann auch abzuwarten.
    Ich wünsche dir, dass es dir bald wieder besser geht!