Kokosöl klingt exotisch, MCT-Öl klingt dagegen modern. Und ganz zu Anfang haben wir uns, wenn es um das Thema gesunde Ernährung geht, gerade einmal gefragt – was ist gesünder, Butter oder Margarine? Beide genannten Öle erfreuen sich aktuell zunehmender Beliebtheit. Eine Marketingstrategie?
Zumindest sind sie unter gesundheitsbewussten Menschen zur Zeit der Renner schlechthin und gewinnen Rang und Namen eines “Superfoods”, wie man es heutzutage auf fachlich nennt.
Ein kurzer Einstieg – die Fakten
MCT steht für „medium-chain triglycerides“. Es handelt sich hierbei um gesättigte Fettsäuren diverser Kettenlänge an Kohlenstoffatomen (6 bis 12 Kohlenstoffatome). Diese tragen so wunderbar wissenschaftliche Namen, wie Capron-, Capryl-, Caprin- und Laurinsäure.
Im Körper werden diese Fettsäuren schneller gespalten und verwertet als ihre langkettigen Kollegen. Sonnenblume, Hühnerfett, Gänseschmalz & Co (Achtung Weihnachten naht!) werden über venöse Hauptstrombahnen direkt zur Leber transportiert.
Die nun kurzkettigen tollen Fettsäuren haben den Vorteil, unabhängig von den Gallensäuren und den ansonsten notwendigen, fett-spaltenden Enzymen von den jeweiligen Körperzellen aufgenommen und verarbeitet zu werden.
Aufgrund dieser Eigenschaften haben sie bereits früh („Es war einmal vor langer Zeit …“) ihren festen Platz in der klinischen, den Verdauungstrakt umgehenden Ernährung bei beispielsweise gesundheitlich schwer erkrankten Menschen sowie bei frühen Formen des Krampfleidens im Kindesalter zu Energiebereitsstellung verteidigen können.
MCT kommen natürlicherweise in Butter, Kokosöl und Palmöl vor, sogar in jeglicher tierischer Milch und auch in Muttermilch !
MCT-Fette haben übrigens tatsächlich 10 Prozent weniger Kalorien als andere Nahrungsfette. Sie kommen jedoch in der Natur nicht in reiner Form vor! Es besteht aus vollkommen gesättigten, mittelkettigen Fettsäuren. Produkte im Handel werden aus Palmkernöl und Kokosöl gewonnen. Ob dies nun für unsere Umwelt und dauerhaft für die Gesundheit von Positivität ist, lasse ich mal an dieser Stelle dahingestellt. Fakt ist, es ist rein pflanzlich und somit für jegliche Form der Ernährung geeignet. Egal ob Mischkost, Vegetarisch, Vegan, Pescetarisch etc.
Den höchsten Anteil an MCT hat im Übrigen das Kokosöl zu verzeichnen, nämlich rund 70 Prozent.
MCT-Öl – Eine Geheimwaffe?
Mit dem Versprechen, mit diesem Superfood nun schnell und problemlos schlank zu werden, lassen wir uns als “Gemeinde der Gesundheitsbewussten und Hoffnungsvollen auf eine Geheimwaffe” natürlich auch leicht ködern, wenn man das so sagen darf. Wer möchte denn auch nicht ein-, zweimal am Tag eine kleine Menge Wunderöl trinken um schnelle Energie, lange Sättigung und Fettverlust zu erlangen?
Aber was ist denn nun wirklich dran, an der Non-Plus-Ultra-Ölgeschichte und dem sagenumwobenen “Bulletproof coffee”?
Und benötigen wir wirklich nur eine besondere Kombination auf mittelkettigen Fettsäuren gegen Übergewicht und zur Verbesserung unseres Körpers?
Was sagt das Internet zu MCT-Öl?
Fragt man Google nach MCT-Öl, so bekommt man rasche und schöne, vielversprechende Antworten:
Naturheilkundlich sagt man ihm antibiotische Wirkung nach. Fettstoffwechselstörungen, Gicht und Blutzuckererhöhungen sollen allesamt der Vergangenheit angehören und somit langfristig Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorgebeugt werden können. Auch die Gedächtnisleistung soll sich verbessern, manch Artikel beschwört sogar, dass Alzheimer sich vorbeugen ließe.
Der Preis der Gesundheit beträgt aktuell im Durchschnitt und in Existenz des Internet-Dschungels zwischen 20–50 Euro pro Liter.
MCT-Öl ist einzigartig in seiner Wirkung
Es gibt bisher – soweit ich weiß – kein anderes Nahrungsmittel, aus dem so schnell ketogene Energie für unsere Nerven, Organe und Muskeln gebildet wird. MCT-Öl kann ein sog. Energietief rasch ausgleichen. Wenn unsere Nerven unterversorgt sind mit Energie, zum Beispiel, weil unser Immunsystem chronisch mit Entzündungen oder gegen Bakterien und Viren kämpft, werden wir schwach, grantig, angespannt. Wir fühlen uns müde. Keine Frage.
Unsere Energie gewinnen wir ja normalerweise aus stärkehaltigen Lebensmitteln, genauer gesagt aus Zucker – gestatten: Glukose. Allein unser Gehirn benötigt rund 30 Prozent unseres Energieumsatzes (jetzt weiß ich warum ich kleiner Hamster im Laufrad immer ständig essen könnte).
Und dieser eigentliche Treibstoff unseres inneren Motors hat einen bekannten Gegenspieler, das Insulin. Dies schleust nämlich den Treibstoff des Lebens in unsere wichtigsten Freunde, die Mitochondrien, welche unsere kleinen Kernkraftwerke darstellen und unsere Energie für alle Körperprozesse ausliefern. Insulin ist jedoch auch eine fiese Bitch – der Zollbeamte an der Pforte von Hölle (Glukose) und Himmel (Fetten) sozusagen. Und das was MCT-Öl nunmal kann, am Zollbeamten Energie vorbeischmuggeln. Für diese Fettsäuren hat Insulin nämlich keine Schnüffelnase an der Grenzkontrolle. Somit: Bahn frei zu den Körper- und Gehirnzellen!
MCT-Öl biochemisch betrachtet
MCT-Öl ist fast wasserlöslich, dünnflüssig und geschmacksneutral. Es ist nicht schmierig wie Butter und hinterlässt auch keinen unangenehmen Ölfilm im Mund oder auf der Haut. Einmal im Körper aufgenommen, geht es somit rucki zucki ins Blut über, wird fortgeleitet, verteilt und kommt nach wenigen Minuten an der Leber an. Hier angekommen, an der vorgesehenen Hauptzentrale, werden diese Fette zugleich in kompakte Energie-Päckchen verbaut. Das was unsere Paketzentrale schließlich nach Verpacken aussendet, sind die sog. Ketonkörper, eine andere Form der Energiebereitstellung für unsere Zellen und das, was man ketogene Energie nennt.
Nur unsere Leber hat diese besondere Fähigkeit, MCT in Ketone umwandeln zu können.
Unser Körper hat sich aber natürlich nicht vor ca. 2 Jahren des Bekanntheitsgrades von MCT unter uns Normalos gedacht, “Hey, heute ist Montag der 1. Januar 2018. Ich denke, heute könnten wir doch mal ausprobieren, ob wir unsere grauen Zellen mal mit etwas anderem als Butterbrot bei Laune halten können und das neue Lifetstyle-Produkt testen … Wie hieß es doch gleich … MCT?!”
Ketogene Energie gibt es schon seit der Steinzeit, es ist ein Überlebensmechanismus des Körpers
Aber auch dafür gibt es heute bessere Ausdrücke: beginnen wir nebenbei hier mal das in aller Munde bekannte Intermittent fasting zu nennen, zumindest wenn es über 12 Std. Fastenzeit beginnt.
Intermettierendes Fasten
Ja, jegliche Hungerspersiode ab gewissem Zeitraum stellt die innere Stellschraube auf Ketonkörperproduktion um, das Gehirn muss ja weiter versorgt werden. Schließlich können uns im Tagesverlauf nicht oben die Lichter ausgeknipst werden.
Der Körper kennt seit der Zeit der schwingenden Keule und langer Körperbehaarung den Wechsel zwischen Hunger und Überfluss. Er kann sich somit zum Glück an die gegebene Situation anpassen.
Unsere Mitochondrien verbrennen in erster Linie gespeicherte Glukose aus Leber und Muskeln. Nach einigen Tagen ohne erneute Aufnahme von Kohlenhydraten ist der Zucker in den Speichern jedoch aufgebraucht. Dann schaltet unser Körper in den Fettstoffwechsel.
Gelingt uns dies, kann aus den freien Fettsäuren durch Körperfett-Abbau in der Leber Ketone produziert werden, wie in dem o. g. Beispiel der Energie-Päckchen. Und diese Ketone versorgen schließlich als Fettenergie unsere wichtigen Mitochondrien. Unsere Kraftwerke heizen somit weiter. Dieser Vorgang ist die Ketose.
Was Ihr bestimmt nicht wusstet und warum – ich erwähne es hier mal nebenbei am Rande – das Intermittend fasting tatsächlich seinen Stellenwert verdient, ist, dass nur wer wirklich einen Zeitraum des Fastens in seinen Tagesablauf mit einbaut auch tatsächlich schafft, seinen Fettstoffwechsel richtig zu aktivieren und von den positiven Gesundheitsvorzügen die sich nachweisen ließen, zu profitieren!
Um es auf den Punkt zu bringen: MCT-Öl kann also an dieser Stelle als Energiebringer-Alternative herhalten und in Form von Ketonkörpern unsere Körperzellen versorgen. In erster Linie Gehirn und Muskulatur sowie allgemein Nervenzellen.
MCt-Öl macht also gesund UND schlank?
Tatsächlich gibt es gewisse Vorzüge von MCT. Es erhöht z. B. den Cholesterinwert nicht und, wie oben genannt, es hat rund 10 Prozent weniger Kalorien als andere Fette. Zudem wird es besser über die Lymphe abgeleitet, was vor allem bei Lip- und Lymphödem Patientinnen von Relevanz sein kann. Auch wird es wie gesagt Insulin-unabhängig verwertet, sodass kein Insulinpeak im Kreislauf entsteht, Heißhunger besser vermieden wird uns eine verbesserte Sättigung erreicht werden kann. Dies jedoch ist in der Regel nur zu Beginn der Einnahme der Fall. In der anfänglichen Zeit erscheint die Sättigung verbessert und es werden durchaus daher kurzfristig initiale Gewichtsreduktionen in Studien nachgewiesen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) räumt ein, dass dadurch gerade zu Beginn eine Reduktionsdiät erleichtert werden kann, jedoch komme es auch schnell zu einem Gewöhnungseffekt auf das MCT. Es gibt ihrerseits keine wissenschaftlichen Beweise für Langzeiterfolge durch MCT-Öl Einnahme. Deshalb hält die DGE genannte MCT-Fette auch für die Therapie gegen Übergewicht nicht für empfehlenswert.
Auch sei seit langen Jahren allgemein bekannt, wie fraglich gesättigte Fettsäuren auf Dauer für die allgemeine Gesundheit und vor allem im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirklich seien. Man bedenke Herzinfarkt und Schlaganfall.
Auch die Deutsche Apotheker-Zeitung hatte erst im Juni diesen Jahres ein Interview diverser namentlicher Ernährungswissenschaftler veröffentlicht, dass die Studienlage zu Kokos- und MCT-Öl zu der Erkenntnis käme, dass eine Ernährung mit diesen Fettsäuren keinerlei günstige Wirkung auf die Gesundheit habe.
Widersprüchlich seien eine antientzündliche oder herzschützende Wirkung und diese wären auch nicht sicher nachweislich vorhanden.
Abgesehen davon müsse man sich gedanklich damit befassen, welche Auswirkungen ein erhöhter Verzehr an tropischen Pflanzenölen über tausende von Menschen für die Umwelt habe, ohne das sie nötig sei.
Heimische Öle wie Raps-, Kürbis-, Lein- und Walnussöl sind allemal gesünder in der Zusammensetzung der Fettsäuren.
Nebenwirkungen von MCT-Ölen
Werden normale Nahrungsfette komplett und sofortig durch MCT-Fette ersetzt, können Unverträglichkeitsreaktionen auftreten. Zu nennen sind vor allem Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit oder Sodbrennen sowie vermehrte Darmgasbildung. Wer also meint, dass Nutzen von MCT-Öl nötig zu haben, sollte dies vorsichtig beginnen und möglichst die ersten zwei Tage seiner Umwelt zuliebe im Home-Office verbringen.
Wichtig: bei dauerhafter und alleiniger Nutzung gehen die Aufnahme essentieller (notwendiger) Fettsäuren und teils Aufnahme fettlöslicher Vitamine flöten (Merke: Vitamine “E-D-(E)-K-A”). Außerdem sind MCT-Öle nicht zum Erhitzen, Braten oder Frittieren geeignet!
Am Ende der vornehmlich wichtigsten Nebenwirkungen, über die sonst niemand reden mag: MCT wirkt auf Zellwände von Bakterien wie aggressives Lösungsmittel. Was als antimikrobielle Wirkung gewünscht ist, ist aber zugleich auf Dauer für den gesunden Körper sehr fraglich. Denn, was bei schädlichen und unerwünschten Bakterien vielleicht von Nutzen sein soll, schädigt jedoch andererseits auch langfristig unsere guten, nützlichen und notwendigen eigenen Darmbakterien!
Mein Fazit zu dem Ganzen!
MCT-Öl hat eine Vielzahl von positiven Eigenschaften für den menschlichen Körper. Vor allem in Hinblick auf diverse chronische Leiden. Bei diesen wäre ohne ein Ersatz an Energie kein weiteres Leben möglich. Daher hat es nicht grundlos an Popularität gewonnen. MCT ist leicht in den Ernährungsplan zu integrieren und entfaltet schon nach kurzer Zeit seine Wirkung.
Es kann Menschen im Fastenintervall über die Energielücke des Tages helfen, ohne das es zu einer Insulinausschüttung kommt. Somit kann es gerade bei Erkrankungen wie Diabetes und auch initial bei Adipositas zu gewünschter Blutzuckerstabilisierung und anfänglichen Gewichtsverlust verhelfen. Verzehrt in Form des bekannten “Bulletproof coffee” kombiniert mit Weidebutter bzw. qualitativ hochwertiger Butter kann es durchaus als Mahlzeitenersatz genutzt werden. Es bietet einen Energieschub für einen gewissen Zeitraum oder bietet ab und an eine sinnvolle Alternative zum Hungern.
Die alternative Energiegewinnung im Hinblick auf das Thema Lipödem und den beteiligten mitochondrialen Problemen könnten an dieser Stelle noch interessant werden, es bleibt zu testen und zu beobachten.
Dauerhaft bedenklich finde ich die konsequente Einnahme von absolut gesättigten Fettsäuren in größerer Menge im Vergleich zu notwendigen und gesunden Fettsäuren, wie beispielsweise Omega-3-Fetten.
In Anbetracht von Risiko/Nutzen-Abwägung und unnützen Kosten für einen Produkt-Trend innerhalb der Ernährungsrevolution entscheide ich mich persönlich am Ende einer eigenen Testphase ganz klar gegen einen unnötigen Kauf von MCT-Ölen. Je nachdem welche Ernährungsform jedoch aktuell Euer Gleichgewicht des Körpers in Yin und Yang hält, empfehle ich Euch lediglich es selbst auszuprobieren und darauf zu achten ebenfalls auf einen gesunden Ausgleich an gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren zu achten und außerdem auf die Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte, für die Ihr Euch entscheidet.
Bleibt gesund!
Eure Doc_Gerlach
Wieder ein sehr vielseitiger Beitrag, der verschiedene Blickwinkel einbezieht und einen, à la „Es war einmal das Leben“, in die Tiefe der Biologie des Menschen mitnimmt! Danke! 🙂
ein Hallo aus der Schweiz, ein sehr aufschlussreicher Artikel: Besten Dank. Auch die Idee mit dem „Kaffe spendiere“ finde ich gut. Doch ich habe kein Paypal Konto. (möchte mir auch keines einrichten) wie wärs mit TWINT ? FG