Lipödem Betroffene und Rechtsanwältin Ruth Leitenmaier: Ich bin es mir wert

„Ich finde es toll, dass Sie Ihren Beruf nicht nur als Beruf sehen, sondern diesen mit Herzblut ausüben“,

so die Äußerung einer Teilnehmerin auf einer Lipödemveranstaltung im Donauries. Diese Äußerung hat meiner Wenigkeit gegolten und freut mich sehr.

Auch für die Rechtsanwältin Ruth Leitenmaier gab es im Jahr 2015 düstere Zeiten, in denen es nicht so aussah, als ob Optimismus gerechtfertigt wäre. Nach einer Hallux-Valgus-OP (Vorfuss-OP) mit relativ langer Heilungsphase und für mich als Menschen, der sehr gerne Sport treibt, eine Strafe, und einem schmerzlichen Todesfall in der Familie kam der nächste Schlag: die Diagnose „Lipödem“. Wäre ich nicht einmal vor Urzeiten – im gefühlten Pleistozän – einmal Arzthelferinnen-Azubi und schon immer mit medizinischen Interesse versehen gewesen, ich wüsste heute bis noch nicht, dass ich ein Lipödem habe und würde meinen Beruf wohl auch nicht mehr ausüben können.

Ich hatte mich in den letzten Jahren gewundert und auch geschämt, weil ich immer tolpatschiger und unbeweglicher wurde. Die Beine und die Arme wurden stetig dicker, auch der Bauch. Die Wechseljahre und zu viel Krafttraining, dachte ich. Bereits 2013 hatte die zunehmende Unbeweglichkeit und Ungeschicklichkeit zu einem Skiunfall geführt. Nur ein Bänderriss am Knie, keine große Sache. Die aber in Verbindung mit dem Ödem dazu führen sollte, dass mein Knie sich nie mehr davon ganz erholt hat. Drei Mal pro Woche Fitnessstudio, zwei Outdoor-Einheiten oder Schwimmen und immer die nagende Frage: Warum bekomme ich an den Knien Fettsäcke? Die Hallux-Valgus-OP war zwar nicht schön, hat aber Hinweis auf das Bestehen eines Ödems gegeben: Mit einem AD-Kniestrumpf war die linke Wade immer auffällig dünner als die rechte.

Ich tippte auf ein Phlebödem, das konnte aber von einem regionalen Phlebologen nicht bestätigt werden. Habe ich ein Lipödem, fragte ich. Natürlich hatte ich gegoogelt, was sonst noch in Betracht kam. Die Antwort gefiel mir nicht. Ja, kann sein, entgegnete er, ich schicke Sie mal noch woanders hin. Dann kam die Bestätigung.

ruth laitenmaier lipoedem mode rechtsanwaeltin

Eigen-Sinn in Magenta

Meine ersten Oberschenkelstrümpfe habe ich aus Trotz in Magenta bestellt. Das gab es im gutangesehenen Sanihaus in der Kleinstadt noch nie. Trotzdem war ich den Tränen nahe. Das sollte ich im Laufe des heißen Sommers 2015 noch oft sein. Ein warmes Büro mit schlechter Raumklimatik bei meinem damaligen Arbeitgeber tat sein Übriges. Wenn die Anwältin alleine im Büro war, kämpfte sie manchmal mit den Tränen. Weil es so schlimm war. Ich bin kein Mensch, der es ertragen kann, keine Kontrolle über mein Leben zu haben.

Bereits zu dieser Zeit fiel mir auf: Fast alle Patientinnen haben Probleme, überhaupt eine operative Therapie zu bekommen. Sehr viele haben Probleme, MLD und die richtige Kompression zu bekommen. Viele haben resigniert. Manche kämpfen erbittert.

Mich beschäftigte zunehmend die rechtliche Seite und sehr schnell – das war noch in 2015 – kamen neben meiner damals hauptberuflichen Tätigkeit als Steuerreferentin und Firmenanwältin die ersten Mandate im Sozialrecht zustande.

Die scheinbar oft aussichtslosen Fälle stachelten mich an. Das kann doch nicht sein!

Mein Kampfgeist und mein Widerspruchsgeist waren in dieser Sache geweckt. Sonst wäre ich auch nicht Anwältin geworden. Mit der Zeit merkte ich, wie mich das alles beflügelte. Meine damalige Tätigkeit hatte mich nicht mehr so erfüllt wie früher, oft war die sog. gläserne Decke im Weg und die Routine hatte mich im Griff.

Neubeginn

Die meisten Anwälte sind Adrenalin-Junkies. Wir brauchen das. Mir fehlte der Kontakt zum Mandanten und die Auseinandersetzung. Die Termine mit den Betriebsprüfern des Finanzamtes waren mir zu wenig. Schulungen vor gelangweilten Mitarbeitern abzuhalten, auch das war einfach zu wenig. Obwohl ich in den fast zwanzig Jahren Steuerrecht insbesondere gelernt habe, hart, aber fair zu verhandeln. Das Beste herauszuholen. Hartnäckig zu sein. Immer am Ball bleiben.

Ich lernte immer mehr Lipödempatientinnen kennen, immer mehr interessante Frauen. Wurde Moderatorin in einem Forum.

Und ich merkte: Da gibt es einen immensen Beratungsbedarf. Viele wussten z. B. nicht, dass die Operationen mit amtsärztlichem Attest steuerlich geltend gemacht werden können. Oder dass dieses Attest vor den Eingriffen ausgestellt werden muss. Oder dass manche Leistungen als genehmigt gelten, wenn die Krankenkasse zu lange für eine Entscheidung braucht. Früher habe ich in einem großen Konzern mit den Millionen jongliert, heute jongliere ich gerne mit der Genehmigungsfiktion.

Ich habe seit jeher hohe Anforderungen an mich gestellt. An das, was ich mir beruflich und privat wünsche. Nach meiner Lebenserfahrung ist es mit den wirklich schönen Dingen so: Sie kosten kein Geld, sind aber niemals umsonst, weil sie einem geschenkt werden und Sinn haben.

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Transformation

Mir ist es vergönnt, meine eigene Chefin zu sein und mein eigenes Unternehmen zu führen.Ich habe insbesondere in den letzten Monaten gemerkt, wie gut und richtig sich das anfühlt. Und es tut gut, Interessen zu vertreten, von denen man weiß, dass sie einem ein Herzensanliegen sind.

Bei vielen Patientinnen und Mandantinnen fühle ich oft eine große Resignation. Die Erkrankung kaum anerkannt, die Operationen als Schönheits-OP’s abgetan, die Kompression als seltsam angesehen – wir machen gerade die ersten Schritte, um so richtig in Schwung zu kommen. Wir müssen aufstehen und einstehen für unsere Rechte, ob mit oder ohne Kompression, ob operiert oder unoperiert.

Bei mir war kennzeichnend insbesondere nach der ersten Operation neben dem großen Glücksgefühl auch ein sehr großes Wutgefühl:

Warum habe ich jahrelang diese Schmerzen und schweren Beine aushalten müssen?

Und warum habe ich mir (als leidenschaftliche Radfahrerin, die auch einmal zweieinhalbtausend Kilometer nach Santiago de Compostela fährt) so lange anhören müssen, jetzt fangen Sie doch endlich einmal an, ordentlich Sport zu treiben? Anscheinend habe ich jahrzehntelang unordentlich Sport getrieben.

Lipödem hat auch seine guten Seiten

„Lipödem hat auch seine guten Seiten“, sagte vor ein paar Wochen eine gute Freundin von mir – sie hat vollkommen recht! Ich finde es sehr positiv, so viele wirklich tolle Frauen kennengelernt zu haben. Und jeden Tag aufstehen zu dürfen, mich bewegen zu können und Dinge zu tun, die mir am Herzen liegen. Das kann nicht jede oder jeder von sich sagen.

Das Steuerrecht ist auch heute noch ein Thema in meiner Kanzlei, aber auf andere Art und Weise. Insbesondere was Frauen betrifft, stehen hier Themen wie z. B. eine bessere Absicherung im Alter und die Geltendmachung und Durchsetzung von Krankheitskosten bei der Steuererklärung im Vordergrund. Auch die Interessenvertretung von Adipositas- und generell Lymphpatienten bildet ein Schwerpunktthema, z. B. im Hinblick auf Abdominalplastiken oder einer Reha-Behandlung. Auch die Beratung von Start-Ups ist ein Thema oder sozialversicherungsrechtliche Probleme von Frauen in der Selbständigkeit.

Frauen müssen generell lernen, in diesen Punkten anspruchsvoll zu sein, es sich wert zu sein, besonders die Lipödempatientinnen mit ihrem oft fragilen Selbstbewusstsein.

Es eben halten wie Oscar Wilde so schön ausgedrückt hat:

Ich habe einen ganz einfachen Geschmack. Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.

Caroline und ich haben uns auf dem Lipödemtag in Göttingen das erste Mal persönlich kennengelernt und waren uns sofort sympathisch. Ich wurde von ihr eingeladen, mich an diesem Blog zu beteiligen und freue mich, einige meiner Gedanken zu teilen und Euch auch zu zeigen: Es gibt Menschen, die sich gerne für Eure Interessen einsetzen.

Für weitere Informationen schaut doch einfach mal auf www.kanzlei-leitenmaier.de vorbei!

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Author: Ruth Leitenmaier

Meine Schwerpunkte sind Sozial- und Medizinrecht, Steuerrecht, Erbrecht und Seniorenrecht. Ich bin selbst Lipödempatientin, im Jahr 2016 operiert und dankbar, einem nicht so guten Schicksal entronnen zu sein. Außer meiner Familie sind Kunst und Literatur meine steten Begleiter. Ich bin gerne in der freien Natur und habe meinen Ausgleich auch im Sport.

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  • Hallo ich habe auch seit jahren Lipödemin in den Beinen jetzt noch Knie Arthrose bin Beruf tätig gehe jeden tag mir schmerzen und Qual was kann ich tun Bitte geBen Sie mir ein Rat

    • Liebe Sevda,
      das wichtigste ist zunächst ein Befund wie von Caroline erwähnt. Vielleicht auch zunächst einmal eine Reha. Um z. B. einen Antrag bei der Krankenkasse bezüglich der Liposuktion bei Lipödem stellen zu können, solltest Du bei mehreren Chirurgen vorstellig werden und Dich beraten lassen.
      Viele Grüße, Ruth

  • Hallo,
    Es tut mir leid, ich spreche ein bisschen Deutesch.
    I have Lymphedema in my left leg which resulted in fat dispositions. To solve my problem the doctor suggested liposuction first the lymphnode transplant.
    The insurance does not want to support the liposuction costs. Could you help me with that?

    Thanks
    Mai

  • Guten Tag Frau Leitenmaier und alle die sich das auch durchlesen, brauche sehr dringend helfenden Rat. Von einem Facharzt wurde mir lipödem an Armen und Beinen diagnostiziert. Mir wurde vom Facharzt Dr. Cornely auch ein Schreiben mitgegeben für meine Krankenkasse mit Diagnose und Kostenvoranschlag für die Operation meines lipödem. Per Einwurf schickte ich meinen Antrag am 01.07.20, es kam am 02.07.20 an nach der Deutschen Post zufolge. Nach drei Wochen schickte ich meinen zweiten Brief mit Kopie des Einlieferungsbeleg des ersten Briefs, weil die drei WochenFrist verging und sich niemand meldete. Es vergingen weitere zwei Wochen danach ohne Antwort für mich und damit waren fünf Wochen vorbei und ich hatte immer noch keine schriftliche Benachrichtigung. Als die 6 Woche angefangen hatte rief ich bei meiner Krankenkasse an, die Dame am Telefon schaute in meinen Daten und meinte ich hätte eine Absage und das bei denen die fünf Wochenfrist gilt (ich sprach nebenbei nicht mit meiner Sachbearbeiterin am Telefon). Nach diesem Telefonat entschied ich mich direkt einen dritten Brief zu schreiben, da ich erfuhr das bei meiner Krankenkasse die 5 WochenFrist gilt und die war auch vorbei zur Zeit des Telefonats. Bis heute habe ich keine schriftliche Benachrichtigung, Geld um meine Op erstmal selbst zu abzubezahlen habe ich nicht. Wie geht es weiter, muss ich weiter die Krankenkasse kontaktieren bis sie mir endlich eine schriftliche Antwort / Zusage für die Kostenübernahme schicken? Oder darf ich die Termine für die Op vereinbaren ohne eine Antwort abzuwarten um meiner Krankenkasse danach die Rechnung zu schicken? Kann ich hoffen das meine Krankenkasse bezahlt ohne das ich mit ihnen vor Gericht muss?

    • Liebe Hilde Baumgärtner, soweit der Antrag lediglich mit einem Arztbericht der CG Lympha gestellt wurde, ist zwar verspätet entschieden, aber keine Fiktion im Rechtssinne eingetreten. Denn: Eine rein privatärztliche Behandlung darf „subjektiv für nicht erforderlich gehalten werden“, zumindest wenn man Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist. Der Fiktionseintritt wird zwischenzeitlich in diesen Fällen von fast allen Sozialgerichten im Bundesgebiet abgelehnt. Es ist immer empfehlenswert, beim Antrag (auch) den Arztbericht eines zugelassenen Krankenhauses (= „Vertragskrankenhauses“) beizufügen, damit genau diese Folge vermieden werden kann. Ein weiteres Problem ist – wie auch hier – die Vereinbarung eines Pauschalpreises über die Honorarvereinbarung; gerichtlich lässt sich nur eine GOÄ-konforme Abrechnung durchsetzen.

      • Vielen vielen Dank für Ihre Antwort Frau Leitenmaier. Nun seit Ihrer Antwort ist einiges passiert diese Tage. Am 21.08.20 ist Post von meiner Krankenkasse angekommen mit einer Absage das mit dem Datum 13.07.20 beschriftet ist ( der Stempel auf dem Krankenkassen Briefumschlag hat denn 20.08.20 als Datum). Die Ablehnung für meinen ersten Brief mit dem Schreiben von der CG Lympha der nach der deutschen Post mit Einwurf am 03.07.20 geliefert wurde, ist nach der Adressen Beschriftung an einer nicht mehr aktuellen Adresse anscheinend gesendet worden. Daher lag erst am 21.08.20 für mich im Postfach die Absage von meiner Krankenkasse. Kann man das als bürokratischen Fehler bezeichnen
        in einem Widerspruch (an einer nicht mehr aktuellen Adresse die Ablehnung zu senden) ? Da ich vom 03.07.20 angerechnet am 21.08.20 erst Post bekam. Könnte ich überhaupt wenn ich noch so schnell wie möglich bei einem gesetzlichen Arzt war wegen meiner Erkrankung, mit einem Schreiben von ihm dazu gelegt immer noch einen Widerspruch bezüglich einer Genehmigungsfikton einlegen?

  • Hallo,
    ich habe in 2 Wochen meine erste Liposuktion in einer Privatklinik, Die Diagnose Stadium 2 Typ 4 ist seit Jahren gesichert, das Attest vom Amtsarzt habe ich auch. Nun stellt sich mir die Frage, ob eine Folgekostenversicherung notwendig ist oder nicht. Die Antworten hierauf in Foren sind sehr kontrovers!
    Notwendige Korrekturen und Nachsorge, z.B. Punktieren von Seromen sind bei dem Operateur im Preis enthalten.
    Ich bin ganz normal gesetzlich Versichert bei der TK.