Unterschiede und Gemeinsamkeiten: das Leben mit Lipödem vs. Lymphödem

Dies ist kein wissenschaftlicher Aufklärungsartikel. Es ist meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Lymphödem, ähnlich einem Reisebericht …


Lymphödem

Wenn Ihr mich fragt, was der größte Unterschied zwischen Lip- und Lymphödem ist:

Die finale Erkenntnis, dass es unumkehrbar ist und auch nicht mehr besser wird.

Gleich sind sicher die oft nicht zu beschreibenden Schmerzen, die jeder anders empfindet und beschreibt und deren Ursache uns die Ärzte nicht so richtig erklären können. Einmal las ich im Feed eine Tabelle mit den Merkmalen, die das Lipödem vom Lymphödem unterscheiden: Lipödem schmerzt und Lymphödem nicht! Ich habe der Influencerin geschrieben, dass das nicht stimme – sie schrieb zurück ‚Doch, der Professor hat das in seinem Vortrag so gesagt und die Krankenkasse hält sich dran‘. Seitdem habe ich keine Lust mehr auf Kongresse – was soll mir da erklärt werden, was ich nicht eh schon weiß?

Schmerzen bei einem Lymphödem

Schmerzen bei Lymphödem heißt, dass ich sofort bei leichten Anzeichen von Schwellungen SOFORT handeln muss. Dann heißt es: Sportstop, nicht nur Beine hochlegen, sondern ganz in die Waagerechte, Kompressionsstrumpfhose aus, Selbstlymphdrainage, bandagieren, Tee trinken, dann wieder mit Bandagen bewegen

Gefühl: Haut platzt, Ödeme drücken auf die Gelenke, Schweregefühl, Treppensteigen oder normal Laufen unmöglich, Schmerzwellen überrollen mich bis zur Ohnmacht. Berühren Hölle. Muskeln kribbeln, Ganzkörperschmerz, Atemlosigkeit. Technik: Wie Wehen veratmen.

Das Krasse an sekundärem Lymphödem ist, dass es unerwartet nach Verletzungen auftritt, man absolut nicht darauf vorbereitet ist und unter Umständen auch nicht sofort Hilfe bekommt, sondern sich dem Arzt lang und breit erklären muss. Nach der Entfernung des Primärtumors war zunächst alles gut. Und dann hatte ich Glück: Am Vorabend meiner großen Operation, in der mir Gebärmutter samt Eierstöcke, Omentum/Bauchnetz und über 50 Lymphknoten rund um den Darm und Leiste entfernt wurden, erzählte mir der Operateur beiläufig, dass ich wahrscheinlich dicke Beine bekommen werde – das sei aber nicht schlimm, denn ich bekäme sofort einen Schwerbehindertenausweis und dürfe dann in Rente gehen.

Ich wachte auf kopfunter auf dem Intensivbett, mit Beinen, die so dick waren wie mein Bauch während der letzten Schwangerschaftswochen.

Vor der zweiten OP waren sie sehr schlank, und ich hatte eine Wespentaille, wog 54 kg bei einer Größe von 1,70m. Die Physio kam jeden Tag an mein Bett, hob die Decke an und schüttelten den Kopf – da könne man noch nichts machen außer Fußteil erhöht lassen, bis das Wasser raus sei. Nach 14 Tagen konnte ich mit dem Rollator gehen und bekam für die nächsten drei Monate einen Bauchgurt um den Körper, wo einst meine Taille war. MLD für die Beine konnte ich nach ca. zwei Monaten ertragen. Dann kam noch eine Not-OP unter CT-Kontrolle unter örtlicher Narkose wegen Sepsis und Serom in der Leiste, unvergesslich: Der Chefarzt kam kurz vor dem ersten Schnitt in den OP und fragte mich, ob ich unter den gegebenen Umständen nicht doch mit dem Hubschrauber schnell nach Erlangen gebracht werden wolle, weil man da meine komplizierten Bauchverhältnisse kenne. Ich im Fieberrausch (mir war alles egal) ‚Nein, ich vertraue ihrem Team voll und ganz‘ völlige Stille und Konzentration, zwischendurch 2x ab in die Röhre mit dem Tisch, Rauschen, und dann Erleichterung und Applaus ‚auf unser Team ist halt Verlass‘. Es wurde der schönste September meines Lebens! Nach den OPs wollte ich nur eins: Ruhe und Normalität.

Der Bauch wurde erst gelympht nach einem Jahr, als ich die Physiopraxis wechselte, weil mir klar wurde, dass da was schieflief. Immerhin verdanke ich meiner ersten Physiotherapeutin die Adresse meines Sanitätshauses und den Kontakt zu meiner wirklich tollen und kompetenten Sanifee.

Trigger. Überall.

Mein Gewebe an den Oberschenkeln ist weich, keine Knubbel oder Verhärtungen. Vorausgegangenes tägliches Spritzen wegen Niereninsuffizienz und spätere Thromboseprophylaxe mit Spritzen in den rechten Oberschenkel waren furchtbar, aber ich konnte keinen Widerspruch erheben! Ich vermute, dass das Gewebe nach 5 Monaten regelrecht kaputt gespritzt war. Fettgewebe war so gut wie nicht vorhanden. Und diese Schmerzen sind geblieben, werden aber durch die Kompression und die Bandagen besser, auch im Wasser beim Kraulen oder Aquajogging … nur beim Raus steigen aus dem Wasser … Kurze, aber immer wiederkehrenden Flashbacks und Heulphasen, wenn ich an die Ursache denke und meine Verstümmelung. Ich lese von einer Mitbetroffenen und peng Trigger ‚Heul‘.

Unterschied zu Lipödem: Ich vermute, dass ein Lipödem sich langsam und vielleicht unbemerkt, still und heimlich entwickelt und man sich anfangs einfach ‚fett‘ fühlt – meine Freundin zum Beispiel hat ein sichtbar nach hinten ausladendes Hinterteil und Oberschenkel wie die Venus von Müngersdorf. Ich bin nicht übergewichtig und sehe auch nicht krank aus, und deshalb behandeln mich Mitmenschen und Schüler auch nicht als Kranke, was mich wiederum unter Druck setzt und mich dazu verleitet, zu aktiv zu sein und mich inzwischen ganz klar überfordert. Von Zeit zu Zeit muss ich meine Tages-, Stunden- und Lebenspläne überdenken und überarbeiten.

Gefühl: Ohnmacht, Ausweglosigkeit, Wut, weil ich mich nicht falsch verhalten habe, weil ich trotz konsequentem Befolgen aller Regeln wie Diät halten, Sport, Ruhezeiten, Disziplin das Fortschreiten einfach nicht aufhalten kann. Verzweiflung: wenn das Lymphödem trotz Kompressionsversorgung, Sport und Diät in die Arme und ins Gesicht wandert und die Hände anschwellen beim normalen Spazierengehen. Über die Jahre werden die Gelenke auch instabiler, beim Hochziehen der Kompression schießt die Hexe in den Rücken.

Wo soll das enden?

Wie das endet: Ich hab’s im Pflegeheim und vor allem im ambulanten Pflegedienst erlebt: Ohne Hilfe kommt man nicht mehr in die verdammten Kompressionsstrümpfe. Und immer wieder Aufwickeln, Abwickeln, Cremen, Binden waschen und aufrollen (das übernimmt der Pflegedienst nicht). Endstation Rollstuhl, Sessel und Bett. Deshalb kenne ich persönlich nur schlanke Lymphödem Patienten. Weil wir wissen, was auf uns zukommt und diesen Zustand so lange wie möglich hinauszögern wollen.

Eine Bekannte, Pädagogin, die ich über Insta kennengelernt habe, ist sehr schlank. Sie hat primäres Lymphödem an Beinen, Leiste und Scham, trägt Flachstrick ccl 3 und zwei (!) Versorgungen übereinander, hat sich operativ schon die Schamlippen verkleinern lassen (bloß nicht veröffentlichen), zweite OP ist in diesem Sommer. Sie ist Single … weicht aus und redet nicht darüber und ist bis zu 2x pro Jahr in Reha. Es muss höllisch wehtun.

Eine junge Lehrerin, sehr schlank, auch mit Lymphödem nach Krebs an Bauch, Scham und OS, möchte nicht darüber sprechen. Sie hatte mit ihrem Mann einen Bauernhof gekauft und toll hergerichtet für die Kinder – aber jetzt nach Gebärmutterkrebs …. Sie bemüht sich, wieder Triathlon zu machen. Wir trafen uns im Kraulschwimmen, und sie zeigte mir ihre Animalprint unter den Jeans. Aber auch sie meidet ein Gespräch darüber – wie ich auch: In Band, Unterricht usw. hat das Thema nichts verloren. Wir sind wieder ‚gesund‘, voll dabei und fertig.

Eine junge wirklich lebenslustige Physiotherapeutin in der Nachbarstadt bekam Bauchspeicheldrüsenkrebs, nahm in kürzester Zeit 30 kg ab. Nach mehreren OPs jetzt ebenfalls Bauchlymphödem. Das behindert die notwendigen Wiederherstellungoperationen. Und diese Operationen wiederum begünstigen auch zusätzliche Ödeme. Sie trägt meines Wissens nach keine Kompression und lebt ‚normal‘ mit viel Sport, Feiern usw. Sie hat keinen Bauchnabel mehr und fühlt sich schrecklich, reist im Moment von einer Klinikberatung zur nächsten, schiebt das Thema Therapie zurzeit noch vor sich her.

Austausch mit anderen Betroffenen

Eine Lehrerkollegin mit Armlymphödem trägt ausgeleierte hautfarbene Armkompression, und als ich sie darauf ansprach, drehte sie sich weg und sagte über die Schulter ‚so wie DU würde ich nie herumlaufen‘. Ende, wir gehen uns aus dem Weg.

Meine Kompression bis unter die Brust drückt aufs Herz, auf den Hals, auf die Arme, Gelenke, Hände. Chronische Nieren- und Herzinsuffizienz schon als Folge der Krebserkrankung.

Ich versuchte, meine Kreislaufprobleme beim Arzt nicht zu erwähnen, aus Angst, er wird mir das Tragen der Kompression, die mich wenigstens äußerlich normal aussehen lässt, verbieten.

Ohne Kompression: Fassbeine, Fassbauch, Laufen und Treppensteigen Adé. Die Tabletten dagegen machten mich gefühlt zum Zombie, antriebslos, und ich stürze endgültig ab wie die Omas, die ich aus der Pflege her kenne.

Ich habe Angst vor sozialer Vereinsamung. Nicht, weil ich keine sozialen Kontakte mehr will, sondern weil mit mir nichts mehr anzufangen ist. Der Geist wird genauso unbeweglich wie der Körper. Das habe ich ein halbes Jahr lang so erlebt.

Und die Jammerei von 30-jährigen Mädels, die schon bei ccl 2 von Juzo anfangen zu jammern … zieht die mal an, wenn ihr 60 und übergewichtig seid.

Zurzeit liege ich nachts wach und denke: Wie lange kann ich mir die Versorgung noch selber anziehen? Neulich habe ich mir beim Hochziehen einen Hexenschuss geholt und hatte tagelang Rücken-Schulter-Nacken-Armschmerzen. Meine von Arthrose verdickten Finger knicken in den Gelenken um beim Hochziehen der Kompression und Fassen des dicken Stoffs.

Folge: Gelenkflüssigkeit tritt aus dem Fingerknorpel aus, bildet Beulen, die zum Teil aufgehen, wochenlang nicht heilen. Ich kaschiere sie mit Pflaster und tape sie, aber es dauert und schränkt beim Arbeiten im Haushalt ein. Ich habe Fingerendgelenkarthrose, die ich eigentlich durch entsprechende antientzündliche (vegane) Ernährung prima im Griff habe: keine weiteren Knoten, Stillstand. Aber die Gelenke sind leider schon instabil.

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Wie lange darf ich überhaupt noch Kompression tragen?

Bluthochdruck, ich spüre den Puls am Hals, das Rauschen im Kopf, wenn ich auf dem Sofa liege. Schlafen kann ich trotzdem nicht, weil die Gedanken kreisen. Meine Freundin fragte, ob es nicht pflanzliche Mittel gegen hohen Blutdruck gebe: Klar – Kurkuma nehme ich schon, ich trinke Heiltee, mache Sport, bin Vegetarier bzw. esse überwiegend vegan, und ich muss auch noch auf Fette und Zucker aufpassen. Zu 90% gelingt mir das. Ab und zu sündige ich und fühle mich grottenschlecht – zuerst körperlich, dann seelisch. Der Körper steckt das alles nicht mehr so schnell weg wie mit 30/40/50! Seit zwei Jahren merke ich, dass es rapide nachlässt. An manchen Tagen sieht man es nicht. Ich kann die Umgebung für ein paar Stunden ganz gut täuschen, wenn ich Freunde treffe, stundenweise arbeite oder während des Trainings im Fitnessstudio. Dort und beim Walken durch den Wald und über die Pampa geht es mir prächtig, auch noch ein bis zwei Stunden danach. Dann werde ich müde, lege mich entweder hin und stürze für zwei Stunden ab (kann dann halt nachts nicht lange schlafen), oder ich quäle mich am Herd, mit Gartenarbeit, Putzen irgendwie über die Runden, weil die Familie versorgt werden muss.

Irgendwann werde ich einen ambulanten Pflegedienst brauchen, werde eingeschränkt sein hier auf dem Land, werde nicht mehr mit anderen Musik machen können, weil die halt auch in die Jahre kommen.

Es geht schon los und schmerzt, manchmal tritt Flüssigkeit aus dem gerissenen Knorpel aus und bildet eine Beule, de nach außen aufgeht. Und beim Hochziehen des Leibteils habe ich schon mehrfach einen Hexenschuss bekommen. Es ist mir peinlich, wenn mein Mann mir helfen muss, die Hose hinten hochzuziehen. So zum Spaß am Anfang haben wir noch darüber gelacht, und er hat mich hoch vom Boden weggelupft. Aber inzwischen macht er sich Sorgen, beobachtet mich, bewunderte mich anfangs vielleicht – inzwischen macht er seinen Sorgen offen Luft: Wie lange geht das noch gut?

Das ist normal und endgültig

Bis dahin kämpfe ich gegen Trägheit, Pfunde, den inneren Schweinehund. Bluthochdruck, Arthrose, zunehmende Einschränkungen und Abhängigkeit von anderen: Das sind Horrorvorstellungen.

Arzt bzw. jetzt Hausärztin: Ich kam im vorletzten Frühjahr zu ihr und bat sie um ein Rezept für eine Armversorgung, weil mir Hände und kompletter rechter Arm nach 5 Minuten Spazierengehen ohne Nordic Walking Stöcke dick wurden. Ich hatte dann den restlichen Spaziergang über den Arm auf die Schulter meines Mannes gelegt. Hand und Finger waren wie ein aufgeblasener Gummihandschuh, kein Gefühl mehr, Ellenbogengelenk schmerzt. Seitdem habe ich kaum Gefühl mehr im kleinen Finger. Zum Glück brauche ich den beim Bassspielen nicht, aber Flöte und Dudelsack sind passé – Geige geht (Bogenhand). Zu Hause Entstauungsgymnastik, selbst gelympft, über Nacht ging es wieder weg. Sanifee meinte, das sei äußerst grenzwertig. Kommentar Ärztin (ohne hinzuschauen oder zu prüfen): ‚Das habe ich im Sommer auch immer, das geht wieder weg.‘ Ich hatte keine Kraft zu widersprechen und bandagierte mich halt.

Ein dreiviertel Jahr habe ich auf den Termin bei einer Phlebologin gewartet, bin fast 100 km weit gefahren, zog mich im Untersuchungszimmer aus und wartete. Sie kam herein, sah meine Flachstrickstrumpfhose und sagte,

„Wir machen hier nur Gefäße.“
„Ja, Lymphbahnen sind auch Gefäße.“
„Nein, ich gebe ihnen die Adresse einer Lymphklinik.“

Es war die Adresse einer Rehaklinik im Bayerischen Wald. Der nächste Termin bei einem anderen Phlebologen steht an, bisher reichte die Diagnose meines Gynäkologen und die der Rehaklinik nach der Entlassung aus meiner ersten Reha 2018, um eine Armversorgung zu bekommen, aber für eine Dauerverordnung muss ich mich noch einmal bei einem Facharzt vorstellen.

Der Krebs kann besiegt werden, das Lymphödem jedoch nicht

Auch mit konsequenter Therapie schreitet es voran. Ich habe es zum Beispiel mitten am Bauch. Erst griff es über auf die Oberschenkel, dann den Schambereich, dann sackte es über und unter die Knie. Durch den Druck der Kompressionsstrumpfhose wandert es in den Brustbereich (Wasserbomben), jetzt einseitig in den rechten Arm bis in die Hand. Achselhöhlen sind dick. Beste Hilfe momentan: Hanteltraining, wobei ich immer aufpassen muss, dass ich nicht zu viel Gewicht nehme, weil sonst schlagartig irreversible Aussackungen folgen können. Also bandagiere ich zusätzlich.

Es gibt Phasen ohne Schmerzen, weil ich sie einfach verdränge und vergesse.

Aber ein Tag ohne Sport, Spaziergang oder zumindest eine Stunde Enstauungsgymnastik ist schlimm. Vier Stunden am PC und ich schleiche am Tag danach mit dicken Beinen, dickem Bauch und Klumpfüßen wie eine alte Frau durchs Haus. Dann muss gewickelt werden: 2–3 Stunden gehen mit der Vor- und Nachbereitung pro Tag dabei drauf: Baumwollschlauch, Polsterung, schichtweise Kurzzugbinden bis hoch in die Leiste, sechs Stück pro Bein. Auf das Bauchödem kommt ein dickes Lymphpad, Kompri-Bermuda darüber und Feinstrumpfhose, damit nichts rutscht. Dann auf die Piste, mindestens 45 Minuten Laufen. Wenn nicht alles gut sitzt, scheuern die Bandagen mich wund.

Und dann sind da die Blicke der Nachbarn im Dorf. Wahrscheinlich denken sie, ich habe einen Fetisch.

Seit kurzem habe ich eine Kompressionsversorgung von einer anderen Firma. Sie ist nicht so chic und elegant wie meine Lieblingskompression, aber das Gestrick ist gröber – schon nach dem ersten Anziehen musste ich nach einer halben Stunde und in Stundentakt danach mehrfach auf die Toilette zum Wasserlassen, so gut arbeitet das ‚Geschoss‘ bei spontanen weichen Einlagerungen. Aber sie hält nicht und verschleißt sehr schnell an den Nähten und scheuert. Also keine Lösung – ich bleibe bei der für mich optimalen Kompressionsversorgung.

Thema Essen: jede Sünde rächt sich – schon ein Würstchen oder ein Glas Rotwein, und am Tag darauf habe ich das Gefühl, dass ich platze. Bis zu 4 kg mehr, der Bauch sieht aus wie eine prall gefüllte Luftmatratze mit Riesendellen. An den Oberschenkeln und am Schambein tut es so weh, dass ich nicht sitzen kann. Dauert dann 2–3 Tage, bis es wieder fast (!) weg ist. Meine Physio guckt mir immer auf den Bauch und weiß dann schon „Aaah, wir haben mal wieder gesündigt!“ und drückt es innerhalb von 60 Minuten fast komplett weg.

Ich habe Angst

Ich habe Angst, sobald die Lymphknoten in den Achseln anschwellen. Angst bei jedem Infekt, bei dem meine Gesichts- und Halslymphknoten anschwellen.

Immer die bange Frage: Ist das ein neuer Krebs?

Krebsnachsorge halbjährlich 1–2 Tage mit Fahrt zur Uniklinik. Bisher war immer alles in Ordnung. Danach gönnen mein Mann und ich uns ’ne Fahrt zu Thomann in Treppendorf, Instrumente und Equipment gucken und Essen bei unserm Lieblingsitaliener gegenüber.

Und ich weiß ja, wie es weitergeht: Ich hab‘ als Betreuungsassistentin im sozialen Dienst in Pflegeheimen und im ambulanten Dienst gearbeitet, und fast jeder Patient trug Flachstrick. Immer hautfarben bzw. grau verwaschen und nie gut sitzend. Im Praktikum und in der Ausbildung durfte/musste drei Monate lang und später ein halbes Jahr in einer ambulant betreuten Wohngruppe als BT und Pflegehilfskraft beim Aus- und Anziehen helfen und unter Aufsicht und Anleitung Bandagen wechseln. Für die alten Herrschaften oft eine Qual, und viele wehrten sich dagegen, weil die Kompression nicht passte, rieb und rutschte und behinderte.

Dem Pflegedienst war das relativ egal: Es musste halt nach Plan gearbeitet werden. Später war ich im sozialen Dienst in einem Heim, in dem die Pfleger sich ganz toll darum kümmerten, dass alle halbe Jahr neue und gute Kompressionsversorgung verschrieben wurde. Dort habe ich auch jeden Tag Entstauungsgymnastik mit den Betroffenen gemacht und sie einzeln und in der Gruppe mobilisiert. Es waren überwiegend Bewohner mit Lymphödem nach Krebs dabei, aber auch Männer, bei denen sich Beinlymphödeme nach Verletzungen ausgebildet hatten.

Nicht behandelte Lymphödeme und Lipödem Patienten habe ich in dem Pflegeheim auch erlebt: Bewegungsunfähig auf dem Rücken liegend, mit multiplen Beschwerden, auch geistig eingeschränkt, aufgedunsen und schwer zu waschen und zu mobilisieren. Nierenversagen, Herzschwäche, Thrombosen und Hautgeschwüre inklusive. Auf Palliativ wurde meine jetzige Physiotherapeutin nachts gerufen, um Gesicht und Hals zu lymphen und den Sterbenden das Atmen zu erleichtern.

Ich konnte nicht mehr vor Schmerzen

Das waren genau die Jahre vor und das Jahr nach meiner Krebsdiagnose, denn dann konnte ich einfach nicht mehr arbeiten vor Schmerzen, bekam einen Schwerbehindertenausweis, durfte nicht weiter beschäftigt werden und musste Rente beantragen. In diesem Jahr auf Station entwickelte sich auch mein Lymphödem. Ich hatte die ersten Monate nur Rundstrickoberschenkelstrümpfe, und nach 6 Stunden Dienst und zwei Stunden Dokumentation war ich nicht mehr in der Lage, die Treppen herunterzusteigen. Wenn niemand guckte, saß ich einfach auf den Stufen und heulte. Sport ging nicht: Kinder waren noch zu Hause und Haushalt rief.

Direkt zu Rentenbeginn kam die erste Flachstrickversorgung, und ab da ging es bergauf. Ich hatte Zeit, mich zu informieren und habe ich regelrecht in die Therapie gestürzt! Das war das Beste, was mir passieren konnte. Jahreszeiten empfinde ich übrigens so: Im Winter steif und Schmerzen, im Sommer alles prima. Das erleben Lipödembetroffene anders, nach allem, was ich gehört habe.

Durch den Druck auf Brust durch Kompri geht bei mir oft die Stimme weg (seit drei Jahren bekomme ich Logopädie), darunter leide ich sehr. Ich kann nicht mehr singen oder lange mit Nachhilfeschülern reden. Keine langen Belastungen möglich, weil ich schnell erschöpft bin. Vitalfunktionen sind eingeschränkt, Krafttraining ist unbedingt nötig, um alles wiederzubeleben.

Nicole Faccio auf Instagram beschreibt es: Lymphe drückt auf Lunge und alles.

Noch ein Unterschied zu Lipödempatienten: Ich brauche mich nicht zu rechtfertigen, wenn mein Zustand sich verschlechtert, weil selbst die Hausärztin mir zugutehält, dass Krebs die Ursache für das Ödem war.

Aber selbst die Kardiologin kniff mich vor 2 Jahren in den Bauch und sagte, „Mädel, das muss weg!“. Klar habe ich inzwischen auch Speck am Bauch, durch das fehlende Bauchlymphnetz ist das Bindegewebe schlaff und dellig. Ich kämpfe gegen die Kilos, genauso wie die Lippies, mit mehr oder weniger Erfolg, aber stetig: Jedes Kilo auf den Rippen belastet mein eh vorgeschädigtes Herz. Herz- und Niereninsuffizienz waren die Begleitgeschenke zu den Ödemen.

Der Kampf um Diagnose und Dauerverordnung ist uns Kompressionsträgern gleich.

Der Umgang mit der Flachstrickversorgung im Alltag auch, ebenso Therapie und das Aus-der-Not-eine-Tugend-Machen, sprich sich modisch umorientieren und Spaß an Neuem zu haben.

Erfolge und Spaß sind entscheidend für die seelische Verfassung. Mein Hobby: Glücksmomente sammeln.

Mein Rat, sofern das eh überhaupt jemand hören will: Schleppt keine überflüssigen Pfunde mit Euch rum, bewegt Euch (‚use or loose it‘ wurde uns in der Reha gepredigt, auch den bettlägrigen Patienten) und ernährt Euch anständig. Herz- und Nierenprobleme spürt man vielleicht nicht (außer als Müdigkeit und Hautjucken), sind unbehandelt aber lebensverkürzend und Spaß tötend.

Bis zu meiner Krebserkrankung habe ich weder überflüssige Pfunde mit mir herumgeschleppt, noch mich sonst irgendwie gehen lassen. Noch bin ich beweglicher und fitter als wesentlich jüngere Frauen. Wenn es mir mit vierzig schon so ergangen wäre wie jetzt? Aufgeben oder sich gehen lassen und den Zustand mit euphemistischem ‚Du bist schön, wie du bist‘ schönreden? Nein: Bitte tut alles, um euch von körperlichem Ballast zu befreien, solange es geht! Knochen, Gelenke und Organe rächen sich im Alter.

Ein abschließendes Wort für Euch habe ich leider nicht, aber vielleicht ist das auch gut so, denn das Leben geht weiter. Umstände, Diagnosen und Wissensstand ändern sich. Wir können unsere Einstellung immer wieder den neu gewonnenen Erkenntnissen anpassen.

Panta rhei (gr., Heraklit) = alles fließt, wie auch die Lymphe.

Und morgen geht es mir sicher wieder besser.

Alles Liebe und Gute wünscht Euch

Die Ursula
@ursel_at_home


Buchempfehlung:

Henry A. Schulze, Der kleine Coach für das Lymphsytem. Schnelle Hilfe bei Lymphödemen, Wassereinlagerungen & Co.

Lymphödem nach Krebs: stile_compresso

Links zu Google Artikeln ‚Sport mit Lymphödem‘:

https://www.lymphnetzwerk.de/lymphoedem/oedem-therapie/sport

https://www.krebs-und-ich.de/ratgeber/bewegung/uebungen-zur-steigerung-des-lymphflusses/

https://www.der-niedergelassene-arzt.de/medizin/kategorie/gefaessmedizin-1/sport-bei-lymphoedem-ist-indiziert

… und viele andere …


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Caroline Sprott Lipödem Health-Influencerin Avatar

Author: Caroline Sprott

Caroline Sprott ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die sich in der Welt des Lipödems engagiert. Geboren 1989 in Bochum, lebt sie nun in Augsburg. Ihre berufliche Laufbahn begann als gelernte Mediengestalterin, und sie arbeitet hauptberuflich im Marketing. Doch das ist nicht alles – Caroline ist auch Lipödem-Referentin, Autorin und Model. Sie hat sich dem Kampf gegen das Lipödem verschrieben und setzt sich leidenschaftlich für die Gemeinschaft der Betroffenen ein. Caroline gründete den Lipödem Mode-Blog, um ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit anderen Betroffenen zu teilen. Sie möchte einen Ort schaffen, an dem Frauen mit Lipödem Informationen finden können, ohne den Umweg über private Facebook-Gruppen gehen zu müssen. Dabei verbindet sie ihre Leidenschaft für Mode mit ihrem Engagement für die Lipödem-Community. Einige interessante Fakten über Caroline Sprott: Stil und Mode: Caroline liebt Mode und sieht sie als Leidenschaft und Therapie zugleich. Sie lässt sich nicht von der Kompressionsbestrumpfung einschränken und setzt auf kreative Outfits. Stilikone: Ihre Stilikone ist Grace Kelly, eine Frau von natürlicher Eleganz und Inspiration. Lieblingsfarben: Moosgrün, Gelb, Pastelltöne und Marineblau. Schwäche für Tiere: Caroline grüßt jede Kuh – eine liebevolle Geste, die ihre Tierliebe zeigt. Wichtige Lebensphilosophie: Wissbegierig, neugierig und optimistisch zu bleiben – das Leben ist zu kurz, um auch nur einen Tag zu verschenken. Caroline Sprott ist nicht nur ein Model und Unternehmerin, sondern auch eine Gesundheitsinfluencerin, die sich für die Lipödem- und Lymphödem-Community einsetzt. Ihr Engagement und ihre positive Einstellung sind inspirierend.

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