Erfahrungsbericht – Tapen beim Lipödem / Lymphödem

K-Tapen (‚K‘ von gr. Kinesis = Bewegung) ergänzt und unterstützt die Therapien der KPE (MLD, Kompression, Ernährung, Bewegung und Selbstmanagement) zur Entstauung von Lymphödemen.

Während meiner Reha in der Klinik Reinhardshöhe in Bad Wildungen lernte ich das Tapen kennen und anwenden. Mein Hauptproblem sind schmerzhafte Wassereinlagerungen am Übergang von Oberschenkel zur Leiste und am Bauch, die zwar durch die tägliche Manuelle Lymphdrainage weniger wurden, aber schlecht bandagiert werden konnten. Durch die Kompressionsbestrumpfung lässt sich verhindern, dass die Beine dick werden, aber das hochgeschnittene Bauchteil von Strumpfhose oder Bermuda drückt die Lymphflüssigkeit weiter nach oben in den oberen Bauch- und Brustbereich bis hinein in die Oberarme. Entstauungsgymnastik und Tapen helfen mir seit der Reha sehr.

Enstanden sind die Ödeme nach mehreren Bauchoperationen, in denen erst ein Tumor und dann 50 Lympfknoten und das Bauchnetz entfernt wurden. Mir fehlt sozusagen ein funktionierendes  Abwassernetz im Bauch. Damit die Lympfe aus den gestauten Regionen abtransportiert werden kann, bekomme ich 1x pro Woche MLD, trage täglich Kompressionsstrumpfhosen und mache  Sport, um die Muskelpumpe zu aktivieren: 5x Ausdauersport (1h Nordic Walking oder Laufbandtraining), 4x Krafttraining mit Hanteln und Geräten, 2x Aquajoggen und täglich Entstauungsgymnastik für Arme und Beine.

Ziel des Tapens sind Schmerzlinderung und ein Abschwellen der Ödeme. Wie kann das erreicht werden?

Durch das Anlegen von Lymphtapes an Oberschenkeln und Bauch nach der MLD wird die Haut  von den Tapes leicht massiert: Wie beim Bandagieren und Tragen von Kompressionsbestrumpfung funktioniert das Anschubsen der Lymphflüssigkeit am wirkungsvollsten, wenn man sich bewegt. Eigentlich total logisch, denn wenn man sich NICHT bewegt, dann findet auch nur ein vermindeter Lymphabfluss statt. Das wiederum lässt die Ödeme anschwellen, was die Schmerzrezeptoren in der Haut reizt. Der Massageeffekt, den der wellenartig auf der Unterseite des Tapes aufgetragenen Silikonklebers auf der Haut erzielt, bewirkt ein angenehmes Kribbeln oder – wie ich es empfunden habe – Strömen! und eine Reduzierung der Schmerzen.

Kontrollierte Bewegung wie im Kraftsport mit den Tapes verbessert auch die Gelenk- und Muskelfunktion. Ich habe den Rückgang der Schmerzen in Oberschenkeln und Leiste schon bei der ersten Anwendung sehr deutlich bemerkt!

Tapes werden in der Regel von Physiotherapeuten angelegt, Taping kann nach Anleitung aber auch an vielen Stellen sebst durchführt werden. An dieser Stelle herzlichen Dank an meine Physios der Klinik Reinhardshöhe für das Infomaterial und praktische Anleitung!

Aber jetzt mal zur Tapen-Praxis: Wie gehe ich da überhaupt ran an die Sache?

Ich besorge mir elastisches K-Tape und achte darauf, dass es von deutschen Herstellern ist, die eine gleichbleibende gute Qualität von Materialien und in der Herstellung garantieren, damit das Risiko von Hautreizungen minimiert bleibt. Es gibt Tapes in Apotheken und Sanitätshäusern – ich habe mir Tapes direkt beim Hersteller Schug Medical bestellt. In der Reha wurde Pio Sport verwendet: Es besteht aus Viskosematerial und ist etwas geschmeidiger als das Baumwollgewebe von Schug. Beide sind luftdurchlässig und haften gleich gut: Sie kleben immer etwa eine Woche, bis sie sich von selbst lösen trotz Duschen, Baden und Schwimmen. Achtung: Nicht Rubbeln, besser Trockenföhnen! Und Ablösen von der Haut funktioniert am reibungslosesten  beim Baden oder Duschen, wenn das Tape nass ist.

Die Tapestreifen sind in Längsrichtung elastisch. Um eine Rückstellkraft in Querrichtung zu bekommen ist der Acrylkleber auf der Rückseite wellenförmig aufgebracht. Damit wird der gewünschte Massageeffekt erreicht. Sichtbar wird dieser Effekt, wenn das Tape nach dem Duschen oder Schwimmen leicht zu wellen beginnt – diese Falten sind gewollt und bewirken eine verbesserte Wirkung im Zusammenhang mir Bewegung, eine Raumvergrößerung zwischen Haut und Unterhautgewebe, wodurch die Lympfe leichter abfließen kann.

Welche Farbe wähle ich? K-Tapes gibt es meist in Rot, Blau, Grün und Gelb. Rot gilt als aktivierend (benutze ich nach der MLD, NICHT auf schmerzende oder geschwollene Stellen!), Blau als beruhigend und abschwellend (nehme ich bei Schmerzen), Grün soll der Farblehre nach regenerierend wirken, Gelb soll anregen – viele schwören darauf. Wissenschaftlich bewiesen ist es nicht, aber Farben helfen bekanntlich, die Stimmung aufzuhellen, und diese ‚Nebenwirkung‘ nehme ich natürlich gerne in Kauf – ich liebe nämlich auch meine farbigen Kompris und bandagiere mich in knalligen Farben!

tapen lipoedem mode lymphoedem

Zuschnitt: Die Länge des Streifens bestimme ich durch Auflegen auf den zu behandelnden Bereich. Beim Lymphtapen wird der Streifen in Fächerform geschnitten, das heißt, das 5 cm breite Tape wird eingeschnitten in vier Streifen bis auf 2 cm, die als Basis verbleiben.

Wichtig: Die Ecken müssen mit der Schere rundgeschnitten werden, weil sich das Tape sonst an den Kanten vorzeitig ablöst und aufrollt.

Die Trägerfolie wird zuerst an der Basis abgelöst, dann die Basis dort aufgeklebt, wohin die Lymphe abfließen soll! in Richtung der Lymphsammelbecken – ganz wichtig! Beispiel: Ich möchte meine Oberschenkel entstauen, die Lymphe soll abfließen in die Leiste – also klebe ich die Basis bei intakten Lymphknoten in den Leistenbereich – bei mir auf den Bauch, weil mir die Lymphknoten in der Leiste fehlen. Lasst Euch das von Eueren Physiotherapeuten zeigen und seht Euch Tafeln über dem Lymphfluss im Netz an!

tapen lipoedem mode lymphoedem

Dann lege ich mich auf den Rücken, damit der zu tapende Bereich ausgestreckt  bleibt, löse das Papier vom ersten schmalen Streifen streife ihn von der Basis  bis zum Ende mit leichten Druck bis runter auf den Oberschenkel, aber ohne den Streifen dabei zu dehnen! So verfahre ich auch mit den drei restlichen Streifen. Die müssen nicht schnurgerade wie mit dem Lineal aufgebracht werden – im Gegenteil: Die Streifen dürfen in leichten Kurven verlegt werden, denn das verstärkt die Bewegung. Beispielsbilder und   Videos findet ihr im Netz unter Lympftapen. Viel falsch machen kann man nicht außer die Richtung verwechseln oder das Tape auf Zug aufzubringen. Anschließend mit der Hand mehmals über die Tapestreifen streichen, damit der Kleber durch die Erwärmung besser hält.

tapen lipoedem mode lymphoedem taping

Grundsätzlich gilt immer:

Beim Lymphtapen dünne Streifen verwenden und Basis in Fließrichtung aufbringen, nicht vordehnen.

Die Elastizität der Tapes ist vergleichbar mit der Eigendehnung der Haut, und K-Tape ist bereits mit 10%iger Vordehnung auf der Trägerfolie aufgebracht. Für weitere Anwendungsbereiche wie Füße, Waden, Bauch, Brust und Oberarme fragt Eure Physiotherapeuten nach Anleitung oder Büchern und seht Euch ergänzend dazu im Internet die Videos dazu an. Sehr informativ war für mich auch der Besuch des Lip- und Lymphkongresses in Fritzlar am 28. April 2018, auf dem genau zu diesem Thema Vorträge gehalten wurden.

Ein großer Vorteil des Tapens: Es wirkt ohne Medikamente auf den Körper.

Nicht angewendet werden darf es bei Thrombosen, Problemen bei Herz- und Nierenerkrankungen, Karzinomen, bei Fieber und Diabetes.

Mein Motto: „Dranbleiben“!

Soweit meine persönliche Erfahrungen mit dem Tapen. Ich hoffe, dass es auch Euch helfen kann gegen Beschwerden, die Lymph- und Lip-/Lymphödeme leider so mit sich bringen. Sich umfassend zu informieren und auszutauschen über die Krankheit kann schon Mut und zusätzlich Spaß machen. 

Seid ganz lieb gegrüßt von

der Ursula



Lit.:  Kumbrink, Birgit; K – Taping, Praxishandbuch für Physiotherapeuten
Grundlagen, Anlagetechniken, Indikationen
Heidelberg 2009, Sprenger Medizin Verlag
ISBN 13-978-3-642-20741-9

Bezug Tape: Schug Medical Service GmbH, Karlsplatz 10, 92676 Eschenbach, www.schug-medical.de

ursula thomé

Author: Ursula Thomé

Hallo, ich bin Ursula Thomé, geboten 1956. Bei mir entwickelte sich nach Krebsoperationen sekundäres Lymphödem an Bauch, Leiste und Oberschenkel. Ich bin Altphilologin, war Lehrerin und nebenberuflich an Ballettschulen und in Sportstudios tätig. Musik und Sport begleiten mich auch im (Un-)Ruhestand: ich jobbe weiter in einem Fitnessstudio, wo ich Ödempatienten und Rehasportler begleiten kann, und ich stehe weiter am Bass auf der Bühne. Seit 2017 trage ich Kompressionsversorgung. Carolines Blog half mir mit wertvollen Informationen sehr, Hindernisse und Probleme im Zusammenhang mit meinen Ödemen zu meistern. Ich liebe meine farbigen Kompris – am liebsten mit Mustern und Schmuckkristallen in rockigem Outfit (auch offen auf der Bühne). Sie engen mich nicht ein, sondern sie helfen und unterstreichen meine Kleidung und meine Stimmung und ermöglichen mir weiter ein aktives und erfülltes Leben.

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    • Hi liebe Simone, hast Du meine Mail bekommen? Sonst nochmal hier: ja, auch darüber wird bandagiert oder Kompressionsversorgung getragen! TAPEN ist kein Ersatz für Kompression!

      Liebe Grüße,
      Ursula

  • Hallo,
    Lymphtaping ist wirklich eine tolle Sache (vorausgesetzt man reagiert nicht wie ich allergisch auf das Tape), aber lasst es euch am besten von einer/m Physio zeigen. Die Anlage ist manchmal etwas knifflig, die Haut sollte in Vordehnung gebracht werden, da muss man evtl. ziemlich gelenkig sein oder eine dritte Hand zu Hilfe haben. Die Anlagepunkte sind auch etwas unterschiedlich, je nachdem ob jemand operiert wurde und evtl. die Lymphknoten beschädigt/entfernt wurden. Ein schlecht oder falsch geklebtes Tape richtet keinen Schaden an, aber es hilft dann auch nicht und reizt evtl die Haut unnötig.
    Also sprecht mit eurer/m Physio und lasst es euch zeigen.

  • Liebe Ursula,
    danke für den interessanten Beitrag! Die Anleitung verstehe ich aber nicht ganz. Es heisst: die Basis in die *Leiste* und die 4 Streifen dann bis zu den Oberschenkeln hin ankleben ohne Zug, Auf dem Foto mit den grünen Tapes liegt die Basis aber nicht in der Leiste, sondern seitlich oberhalb der Taille und geht bis zu den Oberschenkeln. (??)
    Magst Du dazu nochmal etwas sagen?
    Danke Dir. Liebe Grüße Billie

  • Liebe Ursula, seit Septemer 2019 bin ich nach großem Längsschnitt und Entfernung der Lymphknoten im Becken und im Bauch in einer ähnlichen Situation. Man wies mich darauf hin, dass mein Problem ja leider nicht mit Kompression zu lösen sei, seitdem lebe ich von einem Lymphdrainage-Termin zum nächsten, da gerade die Stauung in den Leisten und im Schambereich sehr schmerzhaft und störend ist. Ganz herzlichen Dank für diesen Artikel, vielleicht ist das auch für mich eine Lösung, um wieder in einen halbwegs normalen Alltag zurück zu finden.
    Lieben Gruß,
    Marietta

    • Hallo liebe Marietta, vielen Dank für Deine berührende Rückmeldung – ich habe Dir eine Mail geschrieben, denn ich glaube, dass Dir noch mehr geholfen werden kann!!!
      Ganz herzliche Grüße,
      Deine Ursula

      • Liebe Ursula!
        Ich habe das gleiche Problem wie Marietta,auch drückt mir im rechten Bein die Schwellung auf Nerven und Gefäße,sodass ich teilweise mein Bein nicht mehr bewegen kann,es ist wie taub–das macht laufen unmöglich und ist sehr belastend,auch psychisch,da unberechenbar. Ich wäre sehr dankbar,wenn Du noch mehr Tips und Ideen hast. Mit lieben Grüßen, Sandra

        • Hi liebe Sandra, ich selbst bin da nicht kompetent – bitte lasse Dir eine Überweisung zum Neurologen geben – das kann auch mit Nerven im Rücken zusammenhängen. Orthopäde wäre da auch eine Adresse….alles Liebe und Gute und baldige Linderung wünscht Dir
          die Ursula