Die Ernährung prägt unser Leben. Was man isst und ob man es mit Genuss tut, wird in der frühesten Kindheit festgelegt – ja, sogar schon im Mutterleib wird man durch das geprägt, was die werdenden Mütter essen. Man verbindet Essen mit bestimmten Emotionen und so kann die Erinnerung an Muttis Eintopf ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn man sich schlecht fühlt, weil man einsam ist. Oder eben nicht. Es gibt auch die Esser, die Nahrungsaufnahme rein funktional betrachten und nur essen, weil sie müssen.
Wie dem auch sei und zu welchem Typ man sich selbst zählt, diese Gewohnheiten sind so tief verankert, dass ihre Änderung unheimlich viel Kraft kostet. Es gibt genügend Verhaltenspsychologen, die sagen, dass man Ernährungsgewohnheiten nie dauerhaft verankern kann. Vorübergehend und unter kontrollierten Bedingungen schon, aber eben nicht für immer beziehungsweise nur mit sehr viel Willensstärke.
Daher muss jeder seinen Weg für sich finden. So wie es in die Lebensgewohnheiten passt. Etwas was man dauerhaft durchziehen kann, ohne ein Sklave seiner Disziplin zu sein. Und was einem gut tut, auch wenn es der gängigen Konvention (noch) widerspricht.
Ich berichte hier von meinem Weg. Dieser kann nur ein Beispiel sein und erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Ich habe selbst lange gebraucht, um das für mich zu beschließen und es in meinem Alltag zu verankern. Ich lebe zuckerfrei und man kann sagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich meide nicht nur den raffinierten Kristallzucker, sondern auch sämtliche Süß- und Zuckerersatzstoffe, wie Stevia oder Xylit oder wie sie alle heißen. Mittlerweile habe ich selbst meinen Obstkonsum stark eingeschränkt.
Aber warum nur? Ist das nicht zu viel des Guten?
Vielen wird meine Ernährungsweise radikal vorkommen. Und natürlich muss man das nicht in dieser Form tun, es gibt verschiedene Möglichkeiten: Die gängigste ist, auf zugesetzten Zucker zu verzichten und trotzdem natürliche Zuckerquellen zuzulassen. Dann gibt es die so genannte 5%-Regel, die besagt, dass nicht mehr als 5 Gramm pro 100 Gramm Lebensmittel (bei Getränken 2,5 Gramm) Zucker enthalten sein darf. Meist gilt das für Lebensmittel, denen kein zusätzlicher Zucker beigefügt wurde.
Mit diesen „Regeln“ kann man gut anfangen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, um dann nach und nach zu seiner eigenen Weise zu gelangen. Eben wie es am besten zu einem und dem eigenen Alltag passt.
Ich lebe im Alltag so radikal zuckerfrei, da ich Süßes nicht mehr vermisse und ich für mich mehr Vorteile habe, keinen Kuchen oder Schokolade oder gar Obst zu essen.
An erster Stelle Schmerzfreiheit: mein Ödem tut nicht mehr weh.
Dann natürlich Gewichtsverlust und zwar auch an Beinen und Armen, obwohl ich de facto viel mehr Kalorien zu mir nehme als ich es jemals tat. So habe ich keinen Hunger und diesen üblen Heißhunger erst recht nicht. Zudem ist meine Haut schöner, fester und ja, sogar faltenfreier.
Das ist ja alles schön und gut, aber echt jetzt? Keinen Zucker mehr?
Ja, zumindest im Alltag. Mittlerweile habe ich einen Weg gefunden, auch guten Gewissens, hin und wieder mit Genuss abzuweichen. Zucker wie Alkohol zu konsumieren, seltener und dann bewusst und mit Genuss. Ohne schlechtes Gewissen und ohne Zutatenlisten zu studieren. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Mann Essen gehe, möchte ich nicht auf das Dessert verzichten. Warum auch?
Zuckerfrei im Alltag – wie funktioniert das?
Da ich immer selbst gekocht habe und verarbeitete Lebensmittel sehr kritisch sehe und nur in Ausnahmefällen einsetze, war es nicht schwierig, auf Zucker zu verzichten. Ich mache und koche alles selbst – bisweilen auch Joghurt aus Kokosmilch. Aber man muss viel vorbereiten und verbringt mehr Zeit in der Küche und mit der Mahlzeitenplanung. Das muss einem schon Spaß machen. Dabei haben mir Routinen geholfen.
Es mag auch daran liegen, dass ich nie ein Sugarholic war und der cold turkey also der kalte Entzug vom Zucker nicht so heftig war. Aber ich habe immer viel und gerne Kohlenhydrate (auch einfache… Weißmehl und so) gegessen. So habe ich oft gesagt „Ohne Breze, ohne mich!“ Umso mehr erfreut dann die gelegentliche Biergartenbreze das Herz.
Und die Familie?
Die darf natürlich weiterhin Zucker essen. Ich bin nicht die Diktatorin, die von nun ab akribisch alle Zutatenlisten liest oder meinen Kindern Muffins verweigert. Oder gar bei Elternabenden im Kindergarten den Zuckerkonsum anprangert. Nein, es darf und soll jeder seinen Weg finden.
Ich habe diese neue Ernährungsweise gut für mich etablieren können, für mich funktioniert zuckerfrei zu leben sehr gut. Ich habe keinen Hunger mehr, weil ich genug essen kann und auch wesentlich mehr Kalorien zu mir nehme als in Zuckerzeiten. Das gibt Energie für den Alltag und mein Gewicht reduziert sich langsam, aber stetig.
… und ich habe keine Angst vor Fett mehr.
Liebe Kristin,
Ich konnte es kaum glauben als ich deinen Bericht gelesen habe im positiven Sinne.
Bei mir wurde das lipödem 2011 nach der Geburt meines Sohnes festgestellt. Ich habe lange mit der Diagnose gehadert und auch erst 2013 mit der Therapie begonnen und bis zu diesem Zeitpunkt starköpfig ignoriert, bis es nicht mehr ging! Ab diesem Zeitpunkt habe ich alles mögliche gemacht und mich mit der Erkrankung auseinander gesetzt.
Seit dem Sommer 2016 ernähre mich überwiegend zuckerfrei! Erst als 10 wöchige Selbstversuch und jetzt aus Überzeugung. Ich habe in den ersten 10 Wochen unglaubliche 6 kg verlohren und konnte auch anschließend immer weiter mein Gewicht reduzieren! Meine Beschwerden hinsichtlich des lipödems haben sich sehr verbessert ich bin fast schmerzfrei. Ich finde es super das es nicht nur mir so geht und gibt mir Kraft so weiterzumachen und meinen eigenen Weg zu gehen, egal was andere über meine Ernährung sagen.
Liebe Grüße Stefanie
Liebe Stefanie, vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich finde es komisch, dass man doch häufiger als man denkt, den „Ach-du-meine-Güte-Blick“ zugeworfen bekommt oder den „was-denn-noch-alles-Blick“ und irgendwie schwingt dann gerne mal der Vorwurf mit, man würde sich nicht vollwertig ernähren, weil man doch auf so viel verzichtet. Ja, wir müssen da zusammenhalten und vielleicht liegt in der Ernährung bezüglich der Behandlung des Lipödems doch mehr als bisher angenommen.
Dankeschön liebe Kristin! Ähnlich versuche ich es auch seit ca 1 1/2 Jahren. Bei mir gehört noch der Weizen und die Nudeln, so wie Reis dazu. Es fällt oft schwer aber wenn ich hier deinen Bericht lese, weiß ich wieder wofür! Du hast mir wieder neuen Mut gemacht
Danke für deine lieben Worte! Ja, Durchhalten lohnt sich definitiv. Ich esse mittlerweile gar kein Getreide mehr, die einzigen Kohlenhydrate, die ich zu mir nehme, sind aus Gemüse. Obst ist meine Schokolade 🙂 Leicht ist das sicher nicht… ich bin neulich abgewichen (wollte nicht als irgendwie komisch auffallen – wie das manchmal halt so ist in Gesellschaft) und hab „normal“ gegessen. Und wurde mit feinsten Schmerzen belohnt. Gezieltes Abweichen funktioniert (mal ein Eis oder so), aber nicht absolutes Abweichen.
genauso geht es mir auch. Ohne Zucker und sonstige Kohlenhydrate sind die Schmerzen und Wassereinlagerungen so gut wie weg. Und die Pfunde purzeln auch.
Ich esse so gut wie keine Wurstprodukte mehr und kein Schweinefleisch. Kaum mehr Milchprodukte. Wenn dann Schafskäse und ab und an mal einen Quark mit frischen Beeren. Was auch schon mein gesamten Obstkonsum darstellt. Viel Gemüse und Salate mit gesunden Ölen.
Mit der Zeit bin ich auch genau dort angekommen, wo du bist. Im Grunde bei Gemüse mit Fett. Etwas mehr Fleisch als früher, Milch ungern und wenn dann als Käse. Gerade esse ich am liebsten verschiedene Kräuter als Pesto (Petersilie, Basilikum, Koriander) mit Spargel oder Zucchini. Mein Gewicht auf der Waage geht derzeit recht langsam runter, aber optisch ist es fast unglaublich – wobei ich das nicht so richtig verstehe, aber gut 🙂
Danke für deinen Kommentar!
Liebe Kristin,
vielen Dank für den Bericht! Er gibt mir viel Mut und Hoffnung! Die Diagnose habe ich erst vor kurzem erhalten und bin noch ganz am Anfang was ich tun kann und suche meinen Weg….Vielen Dank!
Liebe Grüße,
Susi