Im Rahmen der Münchner Selbsthilfegruppe treffe ich regelmäßig ratlose Betroffene, die vor allem nach der Diagnosestellung mit dem Therapieverlauf total überfordert sind. Daher habe ich für Euch die am häufigsten gestellten Fragen (FAQ = frequently answered questions) zum Thema Langfristiger Heilmittelbedarf zusammengestellt.
Seit 2017 gibt es einige Neuerungen im Bereich der Lymphologie.
Verordnung von Manueller Lymphdrainage (MLD) bei Lipödem?
In der aktuellen S1-Leitlinie Lipödem steht einvernehmlich, dass zur Ödem- und Schmerzreduktion physikalische Maßnahmen, in Form der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie (KPE), eingesetzt werden. Dazu gehört die Manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Bewegungstherapie und Hautpflege.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung vermittelt diesbezüglich, dass das Lipödem auch als Lipolymphödem bezeichnet wird und daher ist die Einordnung des Indikationsschlüssels auf der Verordnung unter LY1 oder LY2 möglich, was wiederum bedeutet, dass MLD verordnet werden kann.
Wie gestaltet sich der Therapieverlauf „im Regelfall“?
Nach der Diagnosestellung durchläuft man zunächst den sog. Regelfall. Das bedeutet, dass die MLD wie folgt verordnet werden kann:
- Erstverordnung mit bis zu 6 Einheiten
- 4 Folgeverordnungen mit bis zu je 6 Einheiten
- Maximal 30 Einheiten gesamt (z. B. 5 x 6 Einheiten)
Anschließend fordern die Krankenkassen eine 12-wöchige Pause, bevor die Verordnungen im Regelfall erneut vom Arzt ausgestellt werden können.
Was genau bedeutet eine Verordnung „außerhalb des Regelfalles“?
Reicht die Gesamtverordnungsmenge von 30 Einheiten nicht aus, weil es sich z. B. sowohl beim Lip- als auch beim Lymphödem um eine chronische (also dauerhaft zu behandelnde) Krankheit handelt und sich diese während einer dreimonatigen Therapiepause durchaus wieder verschlechtern kann, besteht die Möglichkeit, dass der Arzt die MLD „außerhalb des Regelfalles“ verordnet. Hierbei ist die Anzahl der Einheiten nicht beschränkt und für gewöhnlich werden die Rezepte dann als Quartals-Verordnungen ausgestellt. Solche Rezepte benötigen einer besonderen Begründung inklusive einer geschätzten Prognose des Therapieverlaufes durch den Arzt.
Belasten die Verordnungen das Budget des Arztes?
Ob eine Verordnung das Budget des Arztes belastet oder nicht, ist immer von dem jeweiligen Diagnoseschlüssel (ICD-10-Code) abhängig. Hierzu liegen dem Mediziner zwei Diagnoselisten vor, in denen die jeweiligen Diagnosen exakt reglementiert sind. Vor allem schwerwiegende Erkrankungen und langfristige Schädigungen (z. B. Lymphödem) im Stadium 2 oder 3 fallen aus dem Budget des Arztes.
Leider hören viele der Betroffenen vom Arzt die Aussage, dass ihr Verordnungsvolumen erschöpft ist und sie deshalb keine MLD verordnen können. Man fühlt sich automatisch ausgegrenzt.
Mein Tipp: Sprich das Thema offen beim Arzt an und lass Dir die Umstände kurz erklären. So gehst Du mit einer genauen Information nach Hause und tappst nicht im Dunkeln.
Was bedeutet ein „langfristiger Heilmittelbedarf“?
Betroffene, die schwer oder dauerhaft erkrankt sind, benötigen meistens eine langfristige Behandlung von mindestens einem Jahr oder länger. Je nach Diagnose und Schweregrad besteht die Möglichkeit, automatisch in den langfristigen Heilmittelbedarf zu fallen. Bei den gelisteten Diagnosen geht man davon aus, dass die Schwere und Langfristigkeit automatisch gegeben ist. Ein Beispiel dafür stellt das Lymphödem Stadium II dar, wenn die Diagnosegruppe des Heilmittelkataloges LY2 oder LY3 gegeben ist.
Hierzu liegt dem Arzt ebenfalls entsprechende Diagnoseliste („Anlage 2 zur Heilmittel-Richtlinie“) vor, die genau besagt, welcher ICD-10-Code für den langfristigen Heilmittelbedarf in Frage kommt. Hierfür muss kein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden und die Verordnung ist hier automatisch „budget-neutral“.
Die Anlage 2 zur Heilmittelrichtlinie findet ihr hier.
Was sind ICD-10-Codes?
Hierbei handelt es sich um die internationale statistische Klassifikation von Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Die Diagnosen, die ambulant und stationär gestellt werden, werden auf Verordnungen amtlich klassifiziert und verschlüsselt übertragen.
Auf den Heilmittelverordnungen sollte der ICD-10-Code immer in dem dafür vorgesehenen Feld angegeben sein. Dieser ist wichtig für die Klärung der Frage, ob die MLD zum Beispiel auf das Budget des Arztes geht oder budget-neutral ist. Dieses Feld ist für die Prüfungsstellen der Krankenkassen relevant und es ist maschinell lesbar.
Wie sollte eine exakt ausgefüllte Heilmittelverordnung aussehen?
An dieser Stelle zeige ich Euch, wie eine langfristige Heilmittelverordnung für MLD aussehen kann. Bitte beachtet, dass das ein willkürliches Beispiel ist und nicht als gefestigte Vorlage gilt. Die Pfeile zeigen Euch, worauf es beim langfristigen Heilmittelbedarf ankommt.
Folgende Kreuzchen bedarf es dabei:
- Verordnung außerhalb des Regelfalles (mit spätestem Behandlungsbeginn)
- Hausbesuch (JA oder NEIN)
- Therapiebericht (JA)
- Indikationsschlüssel (LY2 oder LY3)
- ICD-10-Code mit gesicherter Diagnose
Ein Blick auf Eure nächste Verordnung lohnt sich also und bei Fragen wendet ihr Euch einfach direkt an Euren Arzt.